Das Herz der Hoelle
Polizei stellen, ich fühlte mich bedroht durch irgendetwas, irgendwen. Plötzlich war der Albtraum wieder da. Andrzej ist aufgetaucht, und er hat mich dazu überredet, hier Zuflucht zu suchen. Er ist sehr überzeugend. Heute weiß ich nicht, wo mir der Kopf steht. Aber wenigstens fühle ich mich in Sicherheit.«
Regen. Eine neue Kühle wehte durch die Galerie. Ich schwieg. Ich muss finster dreingeblickt haben. Manon lachte wieder und streichelte mir die Wange:
»Ich hoffe, du bleibst! Wir werden uns beide zu Tode langweilen!«
Die Berührung ihrer Finger elektrisierte mich. Mein Verlangen verschwand, und an seine Stelle trat ein größeres, umfassenderes Gefühl. Ein Rausch, der bereits der Benebelung durch die Liebe glich. Ich saß in der Falle. Wo war die Manon, die ich mir vorgestellt hatte? Die kleine Besessene, die aus dem Totenreich zurückgekehrt war? Die Frau, die des Mordes verdächtig war, des Pakts mit dem Teufel, der Ausbreitung des Bösen?
»Es ist Zeit für Radio Vatikan!«, rief sie aus, als sie auf ihre Uhr sah. »Das ist hier die einzige Zerstreuung. Es gibt nicht einmal einen Fernseher, man glaubt es nicht!«
Sie stand auf. Der Regen peitschte durch die Galerie und benetzte unsere Gesichter:
»Komm. Wir kochen uns nachher einen kleinen Borschtsch.«
KAPITEL 86
In dieser Nacht trat ich in meiner Mönchszelle meinem innersten Feind gegenüber.
Der Wüste meines Liebeslebens.
Auf diesem Gebiet hatte ich zwei verschiedene Phasen durchlebt. Der erste Lebensabschnitt hatte ganz im Zeichen der Liebe zu Gott gestanden. Unbeirrbar und unbestechlich. Bis zum Priesterseminar in Rom kamen Abenteuer mit Frauen für mich nicht in Frage. Ich litt nicht darunter und hatte nicht das Gefühl, dass mir etwas fehlte: Ich hatte mein Herz an jemanden gehängt. Wozu in einer Kirche voller Kerzen ein Streichholz anzünden?
Die Illusion hielt sich. Natürlich überfiel mich manchmal das brennende Feuer der Wollust. Versuchungen, gegen die ich mit Masturbation, Gebeten und Bußübungen ankämpfte. Eine persönliche Folterkammer …
In Afrika änderte sich dann alles.
Erde, Blut und Fleischeslust erwarteten mich dort. Kurz vor dem Völkermord in Ruanda hatte ich in einer Wellblechhütte die Initiation erhalten. Ich erinnerte mich nicht daran. Oder höchstens so, wie man sich an einen Autounfall erinnert. Ein Schock, eine innere Erschütterung, die alle äußeren Umstände auslöschte. Ich hatte nicht die geringste Lust, das geringste Gefühl verspürt. Aber einer Sache war ich mir sicher: Diese Frau mit ihrer strahlenden Haut, ihrem jugendlichen Schmelz, ihrem schallenden Lachen hatte mir das Leben gerettet.
Insgeheim war ich ihr für diese Explosion, für diese Befreiung dankbar. Ohne diese Begegnung wäre ich über kurz oder lang verrückt geworden. Trotzdem hatte ich am Morgen danach die Flucht ergriffen, ohne mich zu verabschieden. Mit zusammengebissenen Zähnen hatte ich mich aus dem Staub gemacht wie ein Dieb. Und in den Straßen Kigalis sendete das Radio der Tausend Hügel ohne Unterlass seine Aufrufe zum Hass …
Ich suchte Zuflucht in der Kirche von Butamwa, südlich von Kigali, und ich betete drei Tage lang, ohne eine Auge zuzumachen. Ich flehte Gott um Vergebung an, obwohl ich wusste, dass ich nichts ungeschehen machen konnte und dass ich, in gewisser Weise, jetzt besser beten und Gott besser lieben konnte.
Von nun an war ich frei. Endlich hatte ich meine Natur angenommen: Ich konnte dem Fleisch, seiner rohen Gewalt nicht widerstehen. Es war kein äußeres Problem – der Versuchung –, sondern ein inneres: Ich besaß diesen Riegel nicht, diese Fähigkeit, mein eigenes Verlangen zu überwinden. Endlich war ich ehrlich zu mir selbst und gelangte auf diese paradoxe Weise zu einer größeren Reinheit der Seele. Das war der Stand meiner Überlegungen, als die ersten Flüchtlinge in meinem Schlupfwinkel eintrafen.
Es war der 9. April.
Das Flugzeug des Präsidenten Juvenal Habyarimana war gerade abgeschossen worden.
Ich dachte sofort an die Frau – ich hatte sie ohne einen Blick, ohne einen Kuss verlassen. Sie war eine Tutsi. Ich kehrte nach Kigali zurück und suchte sie in Kirchen, Schulen, Verwaltungsgebäuden. Ich hatte nur einen Gedanken: Sie hatte mir das Leben gerettet, und ich war nicht bei ihr, um ihren Tod abzuwenden.
Ich setzte meine Nachforschungen Tag und Nacht fort, in einer
Weitere Kostenlose Bücher