Das Herz der Hoelle
Lourdes. Zunächst wurde Dr. Pierre Buchholz, eine bedeutende Persönlichkeit des Marienwallfahrtsorts Lourdes, vorgestellt, anschließend wurde das Profil des »Mörders« beschrieben: Richard Moraz, Schweizer Staatsbürger, 53 Jahre, Uhrmacher. Dann wurden die ungelösten Fragen dieses Falls aufgelistet, insbesondere wer den Schützen umgebracht hatte – wer hatte Moraz getötet? –, sowie das Motiv des Mordes an Buchholz: Wieso hatte ein schweizerischer Kunsthandwerker, tausend Kilometer von seinem Heimatort entfernt, einen pensionierten Arzt, der ein Spezialist für Wunderheilungen war, erschossen?
Ich wechselte zum Courrier du Jura, der dem Capitaine der Gendarmerie Stéphane Sarrazin, der ermordet in seinem Bad aufgefunden worden war, einen langen Artikel widmete. Der Schriftzug über der Badewanne wurde nicht erwähnt, ebenso wenig die Verstümmelungen an der Leiche. Eine Vorsichtsmaßnahme der Gendarmen oder des Staatsanwalts? Bernard Brugen vom Fahndungsdienst der Gendarmerie in Besançon wurde entsandt. Auch ein Untersuchungsrichter wurde bestimmt: Corine Magnan, die schon für den Fall Simonis zuständig gewesen war.
Der Artikel verlor sich nicht in Mutmaßungen: Dieses Verbrechen war schlicht und einfach unerklärlich. Kein Motiv. Kein Zeuge. Kein Tatverdächtiger. Der Journalist zeichnete auch ein Porträt Sarrazins: ein vorbildlicher, hochbegabter Offizier. Ich nahm zur Kenntnis, dass man die wahre Identität Sarrazins alias Thomas Longhini, der 1988 als Verdächtiger in den Fall Simonis verwickelt gewesen war, noch nicht aufgeklärt hatte.
Aber das würde schon sehr bald geschehen. Ich stellte mir die Kettenreaktion vor. Von Sarrazin würde man zurückgehen zum Fall Sylvie Simonis und von dort zum Fall Manon Simonis. Dann käme auch bald heraus, dass Manon noch am Leben war. Wie lange würde es dauern, bis die Medien dahinterkämen? Bis die Gendarmen in Besançon wieder nach Manon fahnden würden?
Ich nahm mein Handy. Ich hatte ein Netz. Ich hörte meine Nachrichten ab. Nichts, mit Ausnahme meiner Mutter, die sich für die spirituelle »Kontaktperson« bedankte, deren Adresse ich ihr gegeben hatte. Sie fühle sich viel besser, seit sie mit Pater Stéphane spreche. Ich lächelte. Diese Neuigkeiten schienen von einem anderen Planeten zu kommen, aber ein Besuch bei dem Geistlichen hätte mir mit Sicherheit auch nicht geschadet.
Ansonsten nichts Neues von Foucault, Malaspey oder Svendsen.
Ich würde ihnen nochmals ordentlich einheizen müssen.
Ich wählte Foucaults Nummer. Als mein Stellvertreter den Klang meiner Stimme hörte, brüllte er:
»Mann, Mat, wo steckst du denn?«
»In Polen. Ich hab jetzt keine Zeit, es dir zu erklären.«
»Dumayet geht uns auf die Nerven …«
»Ich ruf sie an.«
»Das hast du schon mal gesagt. Hier ist die Kacke am Dampfen.«
»Du hast keine Nachricht hinterlassen. Bist du nicht weitergekommen?«
»Der ganze Jura ist in Aufruhr. Gestern wurde ein Gendarm ermordet und …«
»Ich weiß.«
»Hat das was mit deinem Fall zu tun?«
»Das ist mein Fall.«
»Ich würde gern wissen, worum es eigentlich geht.«
»Ist das alles? Nichts Neues?«
»Svendsen hat angerufen. Er erreicht dich nicht. Die Typen vom Jardin des Plantes haben die Angaben von Mathias Plinkh bestätigt. Der Skarabäus kann aus mehreren Ländern stammen: Kongo, Benin, Gabun … Wir haben alle Insektenzüchter im Jura abgeklappert. Fehlanzeige.«
Es fiel mir schwer, seinen Ausführungen zu folgen. Diese alten Spuren schienen mir Lichtjahre von meiner Gegenwart entfernt zu sein. Trotzdem versuchte ich mich zu konzentrieren.
»Wir haben auch das Milieu der Insektensammler unter die Lupe genommen«, fuhr der Polizist fort. »Aber ihre Tauschgeschäfte lassen sich unmöglich nachvollziehen. Sie schicken sich Insekteneier per Post zu. Ganz abgesehen von den Typen, die Tiere aus Afrika einschmuggeln. Dein Skarabäus kann auf jede erdenkliche Weise hierhergekommen sein.«
Ich war wieder auf der richtigen Wellenlänge:
»Und die Flechte? Hat Svendsen etwas herausgefunden?«
»Die Botaniker haben die Familie identifiziert. Eine afrikanische Art, die unter der Rinde vermodernder großer Tropenbäume wächst. Sie findet sich wohl auch in einigen europäischen Höhlen, in denen die entsprechende Wärme und Feuchtigkeit vorhanden ist. Doch nach Auskunft
Weitere Kostenlose Bücher