Das Herz der Hoelle
eingegangen. Und du solltest das nicht bedauern. Man muss Risiken eingehen. Die wahren Kreuzritter haben Blut an den Händen.«
Dieser hochtrabende Sermon entlockt mir ein Lächeln.
»Ich lasse mich versetzen.«
Luc zieht ein Bündel Papiere aus seiner Tasche.
»Da ist deine Versetzung. Unterzeichnet vom Präfekten. Willkommen in meinem Team.«
Ich lache nervös.
»Und wann fange ich an?«
»Montag. Dreiunddreißig Jahre: das richtige Alter, um wiedergeboren zu werden!«
Das Silvesteressen im Jahr 2000 besiegelte unsere Verbindung.
Es folgten zwölf Monate, in denen wir erfolgreich zusammenarbeiteten.
Unser Team, das aus acht Polizeibeamten bestand, war vor allem ein Tandem. Unsere Methoden unterschieden – und ergänzten – sich. Ich legte strengste Maßstäbe an und beantragte nur dann die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens, wenn ich über hieb- und stichfeste Beweise verfügte, und ich nahm nur dann Durchsuchungen vor, wenn ich schon wusste, wonach ich suchte. Luc dagegen ging Risiken ein und wandte alle erdenklichen Methoden an, um Verdächtige zu überführen. Einschüchterungen, Gewalt – und Schauspielerei. Seine bevorzugten Techniken: eine Geburtstagsfeier in den Räumlichkeiten der Mordkommission vortäuschen, um einen Typen in Polizeigewahrsam für sich einzunehmen; einen Tobsuchtsanfall fingieren, um einem vorläufig Festgenommenen eine Heidenangst einzujagen; über die Beweise, die er in Händen hielt, bluffen und dabei auch nicht davor zurückschrecken, den Verdächtigen zum Schein ins Gefängnis Santé zu überstellen und ihn unterwegs ein Geständnis ablegen zu lassen.
Ich war ein Chamäleon, diskret, präzise, unauffällig. Luc war ein Schauspieler, ein Aufschneider und Wichtigtuer. Er log, manipulierte, wurde handgreiflich – und fand die Wahrheit heraus. Er genoss diese Situation, die ihn in seinem Zynismus bestärkte. Um erfolgreich zu sein, war er bereit, seine eigenen Überzeugungen zu verraten, die Waffen des Feindes zu benutzen, das Böse mit dem Bösen zu bekämpfen! Er liebte diese Rolle des Märtyrers, der sich korrumpieren muss, um seinem Gott zu dienen. Seine Absolution war die Aufklärungsquote unserer Gruppe, die die höchste der ganzen Einheit war.
Ich selbst machte mir keine Illusionen mehr. Mein katholisches Schamgefühl war schon lange verschwunden. Wer im Schmutz wühlt, macht sich die Hände schmutzig. Es ist unmöglich, ein Geständnis zu bekommen, ohne Gewalt anzuwenden oder zu lügen. Aber ich fühlte mich dabei nicht wohl – diese Entgleisungen waren nicht meine bevorzugten Methoden, und wenn ich sie anwenden musste, dann immer mit schlechtem Gewissen.
Zwischen diesen beiden Positionen hatten wir ein Gleichgewicht gefunden. Und dank unserer Freundschaft regulierten wir dieses Gleichgewicht aufs Milligramm genau. Wir trafen uns als Erwachsene so wieder, wie wir uns als Jugendliche kennengelernt hatten. Derselbe Humor, dieselbe Leidenschaft für die Arbeit, dieselbe religiöse Inbrunst.
Die Kollegen lernten es schließlich zu schätzen. Man musste die absonderlichen Verhaltensweisen Lucs ertragen können – seine Adrenalinschübe, seine dunklen Seiten, seine seltsame Ausdrucksweise. Er sprach lieber über den Einfluss des Teufels oder über die Herrschaft Satans statt über die Kriminalitätsraten oder Deliktkurven. Hin und wieder betete er auch laut, mitten in einem Einsatz, sodass einen das Gefühl beschleichen konnte, einen Exorzisten neben sich zu haben.
Auf meine Art war ich auch nicht schlecht, mit meiner Abneigung gegen metallische Geräusche, meiner Allergie gegen Radios, die so weit ging, dass ich immer nur murrend das Autoradio anschaltete. Außerdem ernährte ich mich ausschließlich von Reis und trank den ganzen Tag grünen Tee, in einem Milieu, in dem viel Fleisch gegessen und viel Alkohol getrunken wird.
Unsere Erfolgsbilanz konnte sich sehen lassen.
In einem Jahr über dreißig Festnahmen. Ein Witz kursierte auf den Fluren der Kripozentrale: »Die Kriminalität steigt? Nein, das kann nicht sein, denn die Pfaffen haben die Ärmel hochgekrempelt!« Wir mochten unser besonderes, altmodisches Image. Vor allem arbeiteten wir gern als Team zusammen. Selbst wenn wir wussten, dass der Preis des Erfolgs auf lange Sicht die Trennung sein würde.
Anfang 2002
Luc Soubeyras und Mathieu Durey werden offiziell zu Commandants befördert. Luc beim
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