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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Rum, und schon war ich unterwegs.
       Ich fuhr nicht direkt auf den Périphérique. Zuerst entlang der Seine, dann über den Pont de la Cité und auf dem linken Seineufer durch die Rue Saint-Jacques. Es regnete wieder. Paris glänzte wie ein frisch gefirnisstes Gemälde. In den bläulichen Lichtkreisen der Straßenlaternen regte sich quirlige Geschäftigkeit.
       Unmittelbar nach der Rue Gay-Lussac parkte ich in der Rue de l’Abbé-de-L’Épée am rechten Straßenrand. Ich verstaute meine Tasche im Kofferraum, schloss ihn ab und ging zur Kirche Saint-Jacques du Haut-Pas.
       Die Kirche lag dicht an der Straße. Der Asphalt war hier durch Kopfsteinpflaster ersetzt worden. Ich drückte die seitliche Tür auf. Eine Bekreuzigung, und ich fand sie wieder, unwandelbar, unberührt, die milde Klarheit des Ortes. Selbst zu dieser Stunde, im elektrischen Licht, wirkte die Kirche leicht, hell, wie aus Sonnenlicht gewoben.
       Schritte. Pater Stéphane erschien und betätigte die Schalter, um die Lüster auszumachen. Das war ein allabendliches Ritual. Ich hatte ihn an der Katholischen Universität von Paris kennengelernt – damals war er Professor für Theologie gewesen. Nach seiner Emeritierung hatte man ihm diese Kirche anvertraut, sodass er in seinem Viertel bleiben konnte. Er spürte, dass jemand da war.
       »Ist da jemand?«
       Ich ging um eine Säule herum.
       »Ich bin gekommen, um mich von dir zu verabschieden. Ich verreise.«
       Der alte Mann erkannte mich und lächelte. Er hatte einen runden Kopf und weit aufgerissene Augen wie ein erstaunter kleiner Junge. Er kam auf mich zu und schaltete im Vorbeigehen eine weitere Lampe aus.
       »Urlaub?«
       »Was meinst du?«
       Er deutete auf eine Stuhlreihe und forderte mich mit einer Geste auf, Platz zu nehmen. Er zog einen Betschemel heran, den er schräg zu der Sitzreihe mir gegenüber hinstellte. Ein Lächeln erwärmte sein trauriges Gesicht:
       »Nun«, sagte er und klatschte in die Hände, »was führt dich hierher?«
       »Erinnerst du dich an Luc? Luc Soubeyras?«
       »Natürlich.«
       »Er hat Selbstmord begangen.«
       Sein Gesicht verdüsterte sich.
       »Mat, mein Sohn, ich kann nichts für dich tun.«
       Der Kleriker missverstand mich. Er dachte, ich wäre gekommen, um ihn um eine christliche Totenfeier zu bitten.
       »Darum geht es mir nicht«, sagte ich. »Luc ist nicht tot. Er hat versucht sich zu ertränken und liegt jetzt im Koma. Seine Chancen stehen fünfzig zu fünfzig.«
       Sein Lächeln erlosch, und er schüttelte langsam den Kopf mit einem Anflug von Missbilligung.
       »Er war immer so überschwänglich …«, murmelte er. »Immer extrem, in allem …«
       »Er war gläubig.«
       »Wir alle sind gläubig. Aber Luc hatte gefährliche Ideen. Gott verbietet Zorn und Fanatismus.«
       »Du fragst mich gar nicht, weshalb er seinem Leben ein Ende setzen wollte?«
       »Können wir solche Taten begreifen? Selbst unser Arm ist häufig nicht lang genug, um diese Seelen zurückzuholen …«
       »Ich glaube, dass ihn die Ermittlungen in einem Mordfall in den Selbstmord getrieben haben.«
       »Hat das etwas mit deiner Reise zu tun?«
       »Ich will seine Arbeit zu Ende führen«, erwiderte ich. »Nur so kann ich verstehen, was ihn dazu gebracht hat.«
       »Das ist nicht der einzige Grund.«
       Stéphane las in mir wie in einem offenen Buch. Nach kurzem Schweigen fuhr ich fort:
       »Ich will in seine Fußstapfen treten, seine Arbeit abschließen. Ich denke … Nun, ich glaube, wenn ich die Wahrheit herausfinde, wird er wieder aufwachen.«
       »Bist du abergläubisch geworden?«
       »Ich spüre, dass ich ihn zurückholen, ihn vor der Finsternis retten kann.«
       »Wer sagt dir, dass er diese Ermittlungen nicht zu Ende geführt hat? Dass es gerade ihr Ergebnis war, das ihn in Verzweiflung gestürzt hat?«
       »Ich kann ihn retten«, antwortete ich trotzig.
       »Nur der Herrgott kann ihn retten.«
       »Natürlich.« Ich wechselte das Thema. »Glaubst du an den Teufel?«
       »Nein«, antwortete er, ohne zu zögern. »Ich glaube an einen allmächtigen Gott. Einen Schöpfer, der seine Macht nicht teilt. Den Teufel gibt es nicht. Was existiert, ist die Freiheit, die der Herr uns geschenkt hat, und unsere Unfähigkeit, damit umzugehen.«
       Ich nickte schweigend. Stéphane beugte sich vor, und seine Stimme bekam den Tonfall eines

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