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Das Herz der Hoelle

Titel: Das Herz der Hoelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Justizvollzugsanstalt von Besançon überstellt. In Sartuis beten alle, dass der Albtraum damit zu Ende sein möge!
        
    Cazeviel war zwei Monate später freigelassen worden. Es gab keine direkten Beweise für seine Täterschaft. Tatsächlich stimmte schon bei der ersten Meldung der Festnahme etwas nicht. Chopard hatte in groben Zügen ein Porträt des Verdächtigen entworfen: ein gewalttätiger Einzelgänger und Außenseiter, der jedoch mit Sicherheit nicht der Mörder von Manon war. Von seinen Eltern unmittelbar nach der Geburt ausgesetzt – »Cazeviel« war die Ortschaft, in der man ihn gefunden hatte – und unter behördliche Vormundschaft gestellt, war er in seinem ersten Heim in Metz »Patrick« getauft worden. Später durchlief er mehrere Erziehungsheime und Pflegefamilien, und seine Persönlichkeit wurde immer wieder mit den gleichen Adjektiven charakterisiert: instabil, undiszipliniert, gewalttätig; aber auch: lebhaft, brillant, willensstark … Aufgrund seiner guten schulischen Leistungen wurde er in das Heim in Nancy aufgenommen, in dem er Sylvie kennengelernt hatte.
       Doch dann hatte seine dunkle Seite wieder die Oberhand gewonnen. Einbrüche, Körperverletzungen, Verhaftungen … Trotz seiner Aufenthalte im Knast und seines unsteten Berufslebens (er verdingte sich bald als Holzfäller, bald als Dachdecker, bald als Schausteller) hatte er Sylvie nie aus den Augen verloren. Die beiden Waisen waren durch einen Pakt, die Solidarität elternloser Kinder, verbunden.
       Hatte Cazeviel nach dem Tod von Frédéric Simonis sein Glück versucht? Hatte Sylvie ihn abgewiesen? Eine solche Abweisung hätte die Wut des Mannes und sein Verbrechen erklären können. Aber ich glaubte nicht daran. Ich hielt es im Gegenteil für wahrscheinlich, dass der kleine Ganove Sylvie seinen Schutz angeboten und Sartuis nicht verlassen hatte. Der Mord an Manon musste bei ihm ein diffuses Schuldgefühl hervorrufen, denn er hatte es nicht verstanden, »seine Witwe und ihre Waise« zu schützen. Aber wieso hatte er dann den Mord gestanden?
       In den folgenden Wochen war die Polizei gegen eine Wand gelaufen. Die Durchsuchung seiner Wohnung hatte nichts gebracht, die Tests mit einem Sprachverzerrer ebenfalls nicht. Der Lokaltermin im Februar hatte in einem Fiasko geendet. Im März hatte der Einbrecher auf Anraten seines Anwalts sein Geständnis widerrufen. Er hatte erklärt, er habe unter dem Druck der Gendarmen beim Verhör gelogen. Untersuchungsrichter de Witt hatte die Ermittlungen daraufhin der Kriminalpolizeidirektion Besançon übertragen. Die Polizisten hatten das genaue Gegenteil der Gendarmen gesagt. Im Mai 1989 hatte Kommissar Philippe Setton eine Pressekonferenz abgehalten, auf der er gegen die berühmte Nachrichtensperre verstieß und bekannt gab, dass bei den Ermittlungen von nun an die Hypothese eines Unfalls im Zentrum stehe. Ein Aufschrei der Empörung im Saal: Ein Unfall, wo doch der Deckel über dem Wasserbecken herausgenommen worden war? Und der anonyme Anrufer, der den Fundort der Leiche Manons verraten hatte? Aber Setton ließ sich nicht beirren. Gewisse Indizien, so sagte er, deuteten auf ein Spiel unter Kindern hin. Ein Spiel, das außer Kontrolle geraten war.
       Diese Hypothese löste zwei Rätsel: die Tatsache, dass Manon offenbar freiwillig mit in die Kläranlage gekommen war, und das Fehlen von Fußspuren auf dem vereisten Boden, das sich durch das geringe Gewicht der Beteiligten erklärte, die allesamt Kinder waren. Aber vor allem eröffnete diese Spur einen Kreis von Verdächtigen, an die niemand gedacht hatte: die Kinder, die sich an jenem Abend auf dem Spielplatz der Siedlung aufhielten.
       Die Polizisten konzentrierten sich auf den 13-jährigen Thomas Longhini, der der »beste Freund« von Manon war. Jeden Abend traf sich der Halbwüchsige vor dem Eingang des Gebäudes mit dem ein paar Jahre jüngeren Mädchen. Und an diesem Abend?
       Am 20. Mai 1989 wurde Thomas im Rathaus von Sartuis zum ersten Mal vernommen. Anfang Juni erhielt er dann eine Vorladung von der Kriminalpolizeidirektion Besançon, bevor er anschließend vom Untersuchungsrichter de Witt und einem Jugendstaatsanwalt im Gebäude des Landgerichts einvernommen wurde. Er wurde vorläufig festgenommen.
       Die offizielle Version stand fest. Thomas Longhini wurde der fahrlässigen Tötung verdächtigt. Er hatte mit Manon in der Kläranlage gespielt und das Mädchen dabei in Gefahr gebracht. Manon war dann

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