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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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in klaren Worten, was er gehört und gesehen hatte.
    »Weißt du, was die Schlafenden sind?«, fragte ich, nachdem ich den kurzen Text gelesen hatte.
    Sayds Miene verfinsterte sich. Das gelbe Leuchten trat wieder in seine Augen, allerdings wirkte es jetzt fahl, wie immer, wenn er sich ernsthaft Sorgen machte.
    »Die Schlafenden sind ein alter Mythos unter den Lamienkindern gewesen. Ashala hatte mir diese Geschichte einst erzählt.«
    »Dir und Malkuth.«
    »In der Tat.« Sayd schlug die Augen nieder und ich wusste, dass er zurückreiste in die Zeit, als Ashala nicht nur seine Schöpferin, sondern auch seine Geliebte war. »Allerdings ist nicht erwiesen, ob es sich nicht nur um einen Mythos handelt.«
    »Offenbar hat Malkuth beschlossen, diesem Mythos zu glauben, wenn er die Zwillinge losschickt, nach dem Grab zu suchen.«
    Sayd bedeutete mir, ihm zu folgen. Wir gingen zu der Stelle, an der wir vor mehr als hundert Jahren gesessen und über Gabriel gesprochen hatten, und die mir mit der Zeit zu einem Lieblingsplatz geworden war. Hier ließen wir uns im Schatten eines mageren, windzerzausten Baumes nieder.
    »Ashala erzählte mir, dass es einen Ort gibt, an den Lamien, die ihres Lebens überdrüssig sind, zum Sterben gehen. Er liegt tief in der Wüste, mitten in ihrem Herzen, versteckt unter Unmengen von Sand.«
    »Lamien können sich fürs Sterben entscheiden?«
    Ein schmerzlicher Ausdruck zuckte um Sayds Mund. »So heißt es«, antwortete er sichtlich bewegt. »Und wenn sie diesen Entschluss gefasst haben, machen sie sich auf die Wanderschaft in das Herz der Wüste. Dort soll es einen Ort geben, ein unterirdisches Grab, in dem sie Ruhe finden können. Während ihrer Wanderschaft nehmen sie nicht das Geringste zu sich, kein Wasser, keine Nahrung und auch kein Blut. Das ist die Willensprobe für die Lebensmüden, denn wenn ihr Wunsch, zu überleben, siegt, werden sie unterwegs irgendwelche Nahrung finden – oder umkehren. Jene, die sich sicher sind, dass sie ihre Existenz beenden wollen, finden das Grab und betreten es. Ist das geschehen, sind sie für immer gefangen, denn dieses Grab, so heißt es, lässt sich nur von außen öffnen – wie die Pyramiden der alten ägyptischen Könige.«
    Ein Schauer überlief mich, als ich mir vorstellte, wie diese Lamien, wenn sie es sich doch noch einmal überlegten, gegen die Wände ihres Gefängnisses schlugen, ohne Hoffnung, dass ihnen jemand zu Hilfe kam.
    »Und was passiert dann?«, fragte ich beklommen, denn obwohl ich einen schmerzlichen Verlust erlitten hatte, dachte ich doch keine Minute daran, dieses Leben zu verlassen.
    »Nun ist es nicht so, dass die Lamien wirklich sterben – jedenfalls nicht sofort. Sie verfallen in eine Totenstarre, wie auch wir, wenn wir so stark verletzt sind, dass unser Elixier den Körper ruhigstellen muss, um in uns zu wirken. Wir können mit Blut dafür sorgen, dass die Starre sich löst, unsere Körper werden durch Nahrung gestärkt, aber bei jenen Lamien erhält das Elixier keine Unterstützung. Es versucht wieder und wieder den Körper zu stärken und zu heilen, bis es schließlich versagt. Dann erlischt das Leben der Lamie und aus Schlaf wird Tod.«
    »Und wie lange dauert es, bis eine Lamie unter diesen Umständen stirbt?«
    »Ashala meinte, es würde Hunderte, vielleicht Tausende Jahre dauern. Und ganz gleich, wie verfallen der Leib bereits ist, die Quelle steht in dem Ruf, noch viele Jahre nach dem Tod der Lamie aktiv zu sein. Bereit, um angezapft zu werden und neue Lamien zu schaffen.«
    Unwillkürlich legte ich mir die Hand auf meine Brust, wo ich die Quelle manchmal spüren konnte, besonders dann, wenn wieder meine starre Nacht anbrach. Schweigend blickten wir aufs Meer.
    »Und warum kommt Malkuth erst jetzt darauf?«, fragte ich, um die schrecklichen Bilder qualvoll sterbender Schwestern zu vertreiben. An Malkuths Stelle hätte ich mich eher auf die Suche gemacht und wäre keinen Pakt mit den Dschinn eingegangen.
    »Malkuth ist kein Mann, der auf langwierige Lösungen setzt – jedenfalls nicht freiwillig. Wahrscheinlich hatte er die Geschichte in irgendeinem Winkel seines Verstandes vergraben, vielleicht hatte er sie vergessen. Doch selbst wenn er sie im Hinterkopf hatte, immer würde er sich für die schnellere Lösung entschieden.«
    »Mit den Dschinn zu paktieren und mich einzufangen.«
    »Genau. Dieses Unterfangen war nicht von Erfolg gekrönt gewesen und wahrscheinlich verlangt Aisha einen hohen Preis für ihre

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