Das Herz der Kriegerin
wenig später eine Bewegung. Malik oder Ashar? Der Umriss war zu schnell verschwunden, als dass er genau sagen konnte, wer zum Tor eilte, um es zu öffnen.
Immerhin haben sie auf Sayd gehört und sind nicht auf eigene Faust aufgebrochen, dachte Jared, während er den Spiegel wieder in seiner Tasche verstaute.
»Ich hatte ganz vergessen, wie schön unsere Burg ist«, raunte Saul neben ihm. »Einhundert Jahre sind offenbar doch eine verdammt lange Zeit.«
»Du sagst es, mein Freund. Ich hoffe nur, dass die Einsamkeit unseren beiden Brüdern nicht den Verstand geraubt hat.«
»Glaubst du, dass die Nachricht nur ein Vorwand war, uns wieder zu ihnen zu locken?«, fragte Saul, nicht ganz ernst gemeint, wie sein Lachen verriet.
»Das werden wir sehen. Aber ich denke, unser guter Malik hat viel zu wenig Humor, um sich einen solchen Scherz zu erlauben. Und auch wenn Sayd viele Meilen von hier entfernt ist, wagen sie es sicher nicht, ihn zu erzürnen. »
In dem Augenblick öffnete sich laut quietschend das Tor der Burg, was Jared gequält die Stirn runzeln ließ. »Daran, die Scharniere zu ölen, haben sie offenbar nicht gedacht«, brummte er, während er sein Pferd antrieb, denn das Tor würde nur für eine kleine Weile offen stehen. »Sie hätten einen Tag lang keine Langeweile haben können!«
Der Anblick des Taubenschlages in der Mitte des Burghofes versöhnte Jared allerdings wieder, denn die Tiere sahen überaus gepflegt und gesund aus. Offenbar hatten Ashar und Malik auch ein Händchen für die Zucht.
»He, ihr Wüstenmäuse! Wo habt ihr euch versteckt?«, rief er, während er in die Runde blickte. Von Ashar und Malik war noch immer nichts zu sehen.
»Offenbar wollen sie, dass wir sie suchen«, murmelte Saul, während er aus dem Sattel stieg.
»Wahrscheinlicher ist, dass sie Probleme mit deinem Tor-Mechanismus haben.«
Kaum hatte Saul das gesagt, tauchten ihre Freunde auf einer Treppe neben der Mauer auf. Derweil schloss sich das Tor langsam und mit quietschenden Angeln wieder.
»Wer hat uns hier Wüstenmäuse genannt?«, fragte Ashar, während er mit ausgebreiteten Armen auf Jared und Saul zukam.
»Stimmt es denn nicht?«, entgegnete Jared lachend und ließ sich von dem Hünen umarmen. »Ihr solltet die Wüste mittlerweile besser kennen als jeder andere von uns.«
»Ja, und ich kann dir sagen, dass sie ein ziemlich öder Ort ist.«
Ashar klopfte Jared freundschaftlich auf den Rücken. »Wie schön, euch wiederzusehen! Ich dachte schon, der Tag würde nie kommen.«
»Und ich dachte, euch hätte die Wüste gefressen«, sagte Saul, während er sich ebenfalls von Ashar an die Brust ziehen ließ.
Wie es Maliks Art war, fiel seine Begrüßung etwas weniger polternd aus, doch seine Augen glühten in tiefbewegtem Rot, als er Jareds Unterarme umfasste. »Ich bin froh, dich endlich wiederzusehen. Wir sind schon so lange hier, dass ich gar nicht mehr wusste, wie eure Gesichter aussehen.«
»Dann ist es ja nur gut, dass du dennoch das Tor hochgezogen und uns nicht mit Armbrustbolzen empfangen hast.« Jared klopfte seinem Freund auf den Rücken, dann begaben sie sich ins Haupthaus.
Wenig später saßen sie um die blank geschrubbte Tafel. In der Küche der Burg prasselte ein kleines Feuer, darauf stand ein Topf, dem kräftiger Kaffeeduft entstieg.
»Ich hoffe, dass eure Zungen in Garnata nicht allzu verweichlicht sind«, begann Malik mit breitem Grinsen. »Der Kaffee hier ist etwas anderes als dort.«
»Das rieche ich schon. Aber nach diesem Ritt wird er uns sicher hervorragend beleben.«
Nachdem sie Platz genommen hatten, schenkte Ashar ihnen ein.
»Ich glaube, darin könntet ihr Nägel auflösen«, bemerkte Jared, nachdem er einen Schluck genommen hatte, und schob anerkennend die Unterlippe vor. »Aber wirklich, ein gutes Gebräu!«
Ashar wirkte von diesen Worten fast ein wenig enttäuscht. Saul grinste breit in sich hinein. Schwäche zugeben zu können, gehörte nicht unbedingt zu Jareds Eigenschaften.
»Aber nun erzählt mir doch, wobei ihr die beiden Derwische erwischt habt. Laurina hatte mir zwar schon einiges geschrieben, aber ich glaube kaum, dass es die ganze Geschichte war.«
»Das war sie tatsächlich nicht«, entgegnete Malik nach einem Blick zu Ashar. »Ich habe inzwischen Erkundigungen eingeholt. Nicht nur, dass die Derwische nach weiteren Schriftrollen gesucht haben, mittlerweile haben sie alles beisammen, um zu einer Expedition aufzubrechen. Sie haben zahlreiche Kameltreiber und Arbeiter in
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