Das Herz der Kriegerin
hatte?
Sayds Augen täuschten sich aber gewiss nicht …
»Lass ihn«, beschwor ich ihn. »Es ist vorüber, Johann ist tot.« Wir hatten versagt. Aber nach all den Jahren, in denen wir von Kriegsherd zu Kriegsherd geeilt waren und vergeblich versucht hatten, sie zu ersticken, war das auch kein Wunder. Sayds Gott mochte ihm zwar Visionen schicken, aber das Glück war uns nicht mehr hold. Und mehr denn je war ich davon überzeugt, dass endlich die Ursache für all das Leid ausgelöscht werden musste. Die Dschinnkönigin Aisha musste vernichtet oder zumindest fürs Erste aus ihrem Körper vertrieben werden.
»Bitte, Sayd«, flüsterte ich ihm zu. »Wir werden einen anderen Weg finden, um diesem Land Frieden zu schenken. Manche Dinge liegen in der Hand der Götter, nicht in unserer.«
Endlich entspannte er sich ein wenig, sodass es nicht mehr nötig war, ihn festzuhalten. Belemoth und David zogen sich wieder zurück, doch ich spürte, dass sie sich bereithielten, um auf einen neuerlichen Ausfall seinerseits zu reagieren.
Ich hielt Sayd noch eine Weile umfasst, spürte aber, dass er die Berührung jetzt nicht wollte, also ließ ich ihn wieder los. Noch immer schaute er zu der Brücke, schüttelte den Kopf und murmelte etwas Unverständliches. Dann wandte er sich um und kehrte zu seinem Pferd zurück.
Schließlich entfernten wir uns schweigend vom Tross des Dauphin. Sayd kochte noch immer vor Wut, seine Augen leuchteten; niemand wagte, ihn anzusprechen, nicht einmal ich. Als es dunkelte, schlugen wir unser Lager auf. Das goldene Leuchten in Sayds Augen hatte sich zurückgezogen, aber seine Miene war noch immer wie versteinert.
Schweigend verzehrten wir unsere Mahlzeit, starrten alle gedankenverloren in die Flammen und beschlossen nach einer Weile, uns schlafen zu legen.
Doch was mich anging, bekam ich zunächst kein Auge zu. Der Gedanke, dass Aisha uns reingelegt haben könnte, wurmte mich zu sehr, als dass ich zur Ruhe kommen konnte. Warum hatte bislang noch niemand versucht, dieses Übel auszumerzen? Und warum hatte Sayd damals nicht darauf bestanden, Malkuth aufzuspüren und zu töten? Ich hatte ihm schwere Verletzungen zugefügt, er war geschwächt. Ihn zu töten, wäre Sayd gewiss nicht schwerer gefallen, als diesen Hakim, Malkuths Schoßhund, zu erledigen. Und nun hatten wir diese Plage am Hals!
Als es mir schließlich doch gelang, vor die Tore des Traumreiches zu gelangen, berührte mich jemand am Arm. Ich schlug die Augen auf und blickte ihn Sayds Gesicht. Seine Augen leuchteten golden.
»Kommst du mit?«, fragte er ernst, und ich erkannte rasch, dass dies keine Frage im eigentlichen Sinne war. Wenn ich nicht wollte, dass er eine Dummheit anstellte – ganz gleich, was er vorhatte –, würde ich seine Frage wohl bejahen müssen.
»Was hast du vor?«, fragte ich, während ich mich aufrappelte.
»Ich will Rechenschaft verlangen.«
Das hatte ich mir beinahe gedacht.
»Rechenschaft? Vom Dauphin?«
Sayd schüttelte den Kopf. »Von du Chastel.«
»Was soll er dir sagen? Aisha hat ihm sicher eingeflüstert, dass er es tun soll. Und du selbst hast einmal erzählt, dass Dschinn in der Lage sind, den Geist eines Menschen zu verändern.«
»Das habe ich, und wenn Aisha dahintersteckt, werde ich ihm kein Haar krümmen. Doch wenn ich das Gefühl habe, dass er diesen Plan schon lange gehegt hat …«
Ich legte ihm die Hand auf den Arm. »Wie willst du das denn machen? Du kannst die Lüge nicht erkennen.«
»Ich brauche die Fähigkeiten des Elixiers nicht dazu!«, entgegnete er schroff. »Ich habe Augen im Kopf und sehe, wann ein Mensch lügt. Du Chastel ist nicht besonders klug, er wird sich nicht so verstellen können, dass ich ihn nicht durchschaue.«
»Dann versprich mir eines«, sagte ich sanft und blickte ihn unverwandt an. »Versprich mir, dass du ihn nicht töten wirst.«
Sayds Lippen wurden schmal. »Und warum nicht?«
»Weil wir keine gewöhnlichen Mörder mehr sind. Wir töten im Kampf. Wir töten, um Menschen zu retten. Wir töten, um uns zu verteidigen. Diese Haltung hast du seit meiner Umwandlung von der Sterblichen zur Lamie vertreten und ich will nicht, dass sie dir jetzt verlustig geht.«
Das Gold in seinen Augen veränderte sich nun. Es glühte nicht mehr länger wie ein zorniges Feuer, sondern so, als würde ein Sonnenstrahl auf ein goldenes Gefäß treffen.
»Also gut, sayyida , ich töte ihn nicht. Aber dennoch will ich wissen, wer die Schuld am Tod des Burgunders trägt. Ich muss
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