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Das Herz der Kriegerin

Das Herz der Kriegerin

Titel: Das Herz der Kriegerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corina Bomann
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zeigte, dass der Dauphin keineswegs traurig über den Tod des Burgunders war.
    Als der Stadtvogt aufschreckte, drückte ihm Sayd blitzschnell den Mund zu und hielt ihm die Nadel in die kleine Grube zwischen seinen Schlüsselbeinen. Ein Stich und er würde an seinem eigenen Blut ertrinken.
    Tanneguys Augen weiteten sich erschrocken.
    »Ihr werdet keinen anderen Laut von Euch geben, als die Antwort, die ich verlange«, forderte Sayd im Flüsterton. Und Ihr werdet das so leise tun, dass man es von draußen für das Raunen des Windes hält.«
    Tanneguy schien offenbar nicht zu wissen, wie er das anstellen sollte, doch er nickte, worauf Sayd seinen Mund wieder freigab. Die Nadel ließ er allerdings dort, wo sie war, und legte die freie Hand auf die Schulter des Stadtvogt.
    Tanneguy, der keine Furcht gehabt hatte, einen Fürsten abzustechen, starrte Sayd an, als wäre er ein Dämon.
    »Also, warum habt Ihr den Burgunderfürsten getötet?«
    »Ich …«, kam es etwas laut aus der Kehle des Mannes, worauf Sayd missbilligend den Kopf schüttelte und seine Hand fester gegen die Schulter seines Gegenübers drückte.
    »Na, na, wir wollen doch nicht unsere kleine Abmachung vergessen.«
    Du Chastels Lippen bebten. War es denn so schwer, leise zu sprechen? Ich lauschte über den Gang, doch zum Glück rührte sich nichts.
    »Ich war es nicht allein. Louvet hat mir dabei geholfen!«
    »Und auf wessen Geheiß?«
    »Der Dauphin … Er …«
    »Du willst mir sagen, dass der Prinz den Mord angeordnet hat? Bei einer Friedensverhandlung?«
    »Der Burgunder hat seinen Onkel ermordet und seinen Vater gefangen genommen. Er wollte Rache!«
    Was für ein dummer Bursche! Natürlich war Charles’ Wunsch nach Rache verständlich, aber das hier war kein Streit unter Wegelagerern. Der Bürgerkrieg, der das Land immer mehr ausblutete und schwächte, hätte an diesem Tag zu Ende sein können!
    »Und wann hat er den Mord angeordnet?«
    »Kurz vorher. ›Tötet ihn!‹, rief er plötzlich, und da haben wir gehorcht.«
    »Ist Euch irgendetwas Seltsames an dem Dauphin aufgefallen?«, fragte ich, während ich registrierte, dass Schritte den Gang heraufkamen. Offenbar machten die Wächter nun die Runde. »Habt Ihr vielleicht die dunkle Wolke bemerkt?«
    »Dunkle Wolke?« Du Chastel blickte mich verständnislos an. »Ich habe keine Wolke gesehen.«
    »Und der Dauphin? War er anders als sonst?«
    Der Stadtvogt schüttelte den Kopf. »Nein, er … Er hat einfach den Befehl gegeben, wie er es immer tut …«
    Sayd betrachtete ihn prüfend. Für einen Moment schien er ernsthaft zu erwägen, zuzustechen. Der Dauphin wäre über den Verlust seines Stadtvogtes hinweggekommen, vielleicht hätte er sogar die Schuld allein auf ihn abgewälzt.
    Doch der Mann war unbewaffnet, er lag im Nachthemd vor Sayd, und dieser würde jetzt nicht mehr die Beherrschung verlieren. Ruckartig ließ er ihn los, was Tanneguy erschrocken zusammenzucken ließ, denn er hatte wohl geglaubt, dass sein letztes Stündlein geschlagen hätte.
    Doch Sayd nahm die Nadel weg und ließ sie wieder unter seinem Wams verschwinden.
    »Gehen wir«, sagte er trocken zu mir, ohne sich noch einmal nach dem Stadtvogt umzuwenden.
    Ich nickte, warf du Chastel einen warnenden Blick zu und öffnete dann die Tür. Während des Rückwegs durch das Palais begegneten wir zwei Wächtern, doch die Schatten in den Gängen waren tief genug, um uns vollständig zu verbergen.
    Erst als wir wieder über die Stadtmauer geklettert waren, wagte ich, Sayd anzusprechen.
    »Du hast ihn nicht bestraft.«
    »Nein. Er hat nur den Befehl seines Herrn befolgt.«
    »Seines Herrn, der gewiss von Aisha beeinflusst worden war.«
    »Möglicherweise. Aber sicher können wir nicht sein. Dschinn mögen den Verstand eines Menschen verwirren können, doch dazu müssen sie ihm ganz nahe sein. Wir standen zwischen ihnen und dem Dauphin, Aisha hat sich die ganze Zeit über kaum bewegt. Möglicherweise hatte sie dem Dauphin den Gedanken, Johann ermorden zu lassen, in den Geist gepflanzt, aber wie du gehört hast, war der Junge ohnehin auf Rache aus.« Er verstummte kurz, dann setzte er bitter hinzu: »Ihn hätten wir im Auge behalten müssen, nicht irgendwen sonst.«
    »Mach dir deswegen keine Vorwürfe«, sagte ich sanft. »Vielleicht wollte dein Gott dich mit den Bildern nicht bitten, Johann zu retten. Vielleicht solltest du nur im Voraus wissen, dass er sterben wird.«
    »Aber warum?« Verzweifeltes Gold flackerte in seinen Augen.

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