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Das Herz der Nacht

Das Herz der Nacht

Titel: Das Herz der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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Wärme entgegenströmte. Sie fühlte sich befangen wie ein junges Mädchen, als sie eintrat und sich ihren pelzgefütterten Mantel abnehmen ließ. Sie reichte ihm auch Muff, Handschuhe und Hut, die András auf eine Truhe mit prächtigen Intarsien legte. Der Diener war nicht zu sehen, und Therese war darüber ganz froh. Sie fühlte sich noch immer nicht recht wohl in ihrer Haut. Obwohl sie es ja gewollt hatte und auch nicht zurücktreten mochte, lockte und schreckte sie das Unbekannte gleichermaßen.
    András führte seine Besucherin in einen Salon, der vielleicht zu einem kleinen Jagdschlösschen passen würde oder zu einem Sommerlandhaus eines Adeligen. Er war nicht sehr groß und auch nicht prächtig zu nennen, dafür sehr geschmackvoll eingerichtet, so dass er eine heimelige Wärme ausstrahlte, die nicht nur von dem Feuer im offenen Kamin zu kommen schien. Wie groß das Gebäude war, hatte sie in der Dunkelheit nicht erkennen können, außer dass es nur über zwei Stockwerke und ein tief herabgezogenes Dach verfügte. Der Garten war tief verschneit, so dass nur ein paar Mauerpfeiler, die Spitzen eines schmiedeeisernen Zauns und einige weiß überzuckerte Bäume zu sehen waren.
    »Wo sind wir hier?«, fragte Therese, obwohl sie das nicht hatte tun wollen, aber ihr fiel keine andere Frage ein, die sie nicht noch befangener gemacht hätte. Sie war schon erleichtert, dass sie wieder über eine Stimme verfügte.
    András, der aus einer Kristallkaraffe dunklen Rotwein in zwei Gläser füllte, wandte sich ihr mit einem Lächeln zu.
    »Im Zauberland, Therese, haben Sie das schon vergessen? Eine Adresse gibt es hier nicht. Es liegt hinter den Wolken verborgen, und nur der Suchende mit sehnendem Herzen wird es finden.«
    »Und, nennen Sie dieses Zauberland Ihr Eigen, und bringen Sie stets Ihre Suchenden hierher?«
    Sein Lächeln verschwand für einen Augenblick. Die Fürstin hätte sich die Zunge abbeißen mögen! Nein, so etwas hatte sie nicht sagen wollen, und dennoch brannte die Frage in ihr: War das sein Unterschlupf, wie sicher viele Männer von Adel ihn besaßen, um ihre Geliebten fern der neugierigen Augen der Gesellschaft zu treffen?
    András stellte die Gläser behutsam ab, trat auf die Fürstin zu und legte ihr seine kalten Finger unter das Kinn, bis sie zu ihm aufsah. Obwohl sein Gesichtsausdruck noch immer ernst war, klang seine Stimme weich.
    »Therese, es gibt keinen Grund für dieses Misstrauen, oder soll ich sagen, die Verbitterung, die sich über die Jahre in Ihnen angesammelt hat? Ja, es ist mein Eigentum und ein Ort, an den ich mich zurückziehen kann. Und nein: Ich pflege keine Geliebten hierher mitzunehmen. Ich pflege mir überhaupt keine Geliebte zu halten! Das dürfen Sie mir glauben. Ich bin kein Heiliger, nein, ganz gewiss nicht, mich treiben andere Leidenschaften an. Aber dies hier ist auch für mich nicht einfach Zerstreuung, die man wie ein Glas Wein oder ein Stück Konfekt genießt und danach vergisst. Sie sind eine ganz besondere Frau, und Sie haben sich einen Platz in meinen Gedanken erobert, wie es nur wenige Menschen tun. Verbannen Sie nun die Zweifel, und nehmen Sie diese Zeit an, als das, was Sie sein soll: Ihre ganz eigenen Stunden, die Sie für immer in Ihrem Herzen tragen werden.«
    Und dann küsste er sie. Therese konnte sich noch an seinen ersten Kuss erinnern und wie ihr Körper unvermittelt in Flammen gestanden hatte. Dabei war das nur eine kleine, zärtliche Berührung gewesen. Eine Andeutung dessen, was sein könnte. Der Kuss unter dem dunklen Durchgang hatte schon mehr offenbart. Und dennoch war auch er nur eine Ouvertüre gewesen, die die Spannung wecken soll auf das, was noch kommt.
    Damals war ihr nicht klar gewesen, wie sich dies anfühlen könnte. Nun wusste sie es! Oder begann zumindest zu ahnen, was Leidenschaft war. Sie lag in seinen Armen. Kühl und fest hielt er sie umschlungen, so dass sie sich keine Sorgen wegen ihrer zunehmend nachgebenden Knie machen musste. Ihr Kopf lag in seiner Armbeuge, die Augen hatte sie geschlossen. Therese ließ sich küssen. Sie gab seinen Bewegungen nach, sie schmeckte und roch und atmete ihn in sich ein. Sie lauschte dem Rhythmus ihres Herzen, das plötzlich ganzer Walzertakte fähig zu sein schien, und sie spürte die Wellen aus Hitze und Kälte, die durch ihren Körper wogten. Furcht, Zweifel und Scham wurden von ihnen weggespült.
    Was bedeuteten diese Worte überhaupt?
    Das war nicht die Zeit, über so etwas nachzudenken! Therese

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