Das Herz der Nacht
Mann die alternde nackte Haut vor sich wohl finden würde.
Seine beiden Hände schlossen sich um ihre Schläfen, und sein Blick schien in sie einzudringen.
»Hören Sie auf, sich dumme Gedanken zu machen. Konzentrieren Sie sich auf ihre Sinne. Sie werden Ihnen zeigen, was gut und richtig ist.«
Hatte er die Macht, in ihren Geist einzudringen und die Räder des ständig ratternden Uhrwerks anzuhalten? Vielleicht.
Es lag an diesen hypnotischen Augen, in denen nun wieder der rote Schimmer war, den sie schon ein paar Mal zu entdecken geglaubt hatte.
András beugte sich hinab und hob sie auf, als sei sie nicht schwerer als eine Puppe. Dabei würde sich die Fürstin durchaus als eine Frau stattlicher Größe bezeichnen, wenn sie in diesem Moment über solch triviale Dinge nachgedacht hätte. Aber das hatten ihr die roten Augen ja untersagt!
So ließ sie sich gegen den erstaunlich muskulösen Körper sinken und fühlte nur noch: seine Hand in der nackten Kniekehle, sein Arm an ihrem Oberschenkel.
Er schritt auf eine Tür in der Täfelung zu und schob sie auf. Therese erhaschte einen Blick auf ein Gemach, kaum größer als der Salon, in dem ebenfalls ein Kaminfeuer brannte. Zwei silberne Kandelaber verströmten sanftes Licht. Zwischen den beiden Tischchen mit den Kerzen stand ein Bett. Natürlich. Es war breit und von einem roten Baldachin behütet, dessen Vorhänge zurückgezogen waren. Weiche, weiße Kissen und Federdecken luden ein, sich zur Ruhe zu legen. András ließ seine Last in die Kissen sinken und rutschte neben sie auf die Matratze. Seine Lippen und Hände schienen überall zu sein, eisig und brennend. Therese wusste es nicht mehr. Selbst wenn ihr die Augen nicht verboten hätten, weiter über alles nachzudenken, hätte der Sturm der Gefühle sie jetzt zum Schweigen gebracht. Das Verlangen wuchs mit jedem Moment. Sie wollte ihn überall an und in ihrem Körper spüren! Jetzt!
»Nein, gedulde dich. Wir sind noch nicht so weit!«, flüsterte er, obwohl sie diese Gedanken nicht ausgesprochen hatte.
Er quälte sie! Ja, das war es. Eine Qual. Eine süße Qual. Unerträglich. Konnte Verlangen so schmerzhaft sein?
Ihr Oberkörper bäumte sich auf. Ihr Mund gab nur Laute von sich. Für diese Empfindungen gab es keine Worte. Oder Therese kannte sie zumindest nicht.
Plötzlich zogen sich seine Hände und Lippen zurück. Sein Körper verschwand. Therese riss die Augen auf. »Nein!«, schrie sie in tiefem Entsetzen. Er würde sie doch nicht etwa in diesem Augenblick verlassen? Dann müsste sie sterben. Zweifellos.
»Sch«, erklang es an ihrem Ohr. Und dann waren auch die Lippen wieder bei ihr. Als sie spürte, wie sein Gewicht kurz darauf das Bett wieder beschwerte, rollte sie sich herum und umschlang ihn. Seinen nackten Körper.
Es war wie ein Blitzstrahl, der sie schüttelte. So kalt, so ebenmäßig. Marmorgleich. Und so begehrenswert.
Nun war sie es, die sich auf ihn stürzte, nicht genug bekommen konnte, ihn zu berühren und zu liebkosen. Es fühlte sich so anders an als alles, was sie kannte. – Wobei ihre Erfahrung mit Männern eher dürftig zu nennen war!
András ließ sie eine Weile gewähren, dann übernahm er wieder die Führung. Sanft, aber bestimmt schob er Therese von seiner Brust und wandte sich ihr zu. Noch einmal küsste er sie mit solch einer Leidenschaft, dass sie aufstöhnte. Sein Körper schob sich über sie, ohne dass er sie mit seinem Gewicht schmerzhaft in die Matratze drückte. Sie fühlte seine Knie zwischen den ihren, und seine Schenkel leicht auf ihre drücken.
Therese riss die Augen auf. Nun würde es kommen. Der Schmerz. Der Krampf in Bauch und Beinen. Und dann war es vorbei.
Doch alles, was sie sah, waren wieder die roten Augen, die sie sanft aber bestimmt aus ihren Erinnerungen holten und sie von diesem Ort verbannten, wo sie nichts zu suchen hatten.
Dann drang er in sie, und es hätte der Augen nicht mehr bedurft, sie von allem zu lösen. Es gab kein Gestern und kein Morgen. Nur den Augenblick und die heißen Wellen der Leidenschaft. Zwei Körper, heiß und kalt. Feuer und Eis. Himmel und Verdammnis. Alles wurde eins. Ihr Atem wurde keuchend und verlangte nach Erlösung. Und doch fürchtete sie nichts mehr als das. Es sollte nicht enden. Niemals. Niemals! Sie sollten so vereint bleiben. Bis in alle Ewigkeit!
Die Ewigkeit ist verdammt lang. Man sollte sie sich nicht leichtfertig herbeiwünschen. Ein Segen wird schnell zu einem Fluch. Nur was endet, kann auch neu beginnen.
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