Das Herz der Ozeane - Honky Tonk Pirates ; Bd. 5
Himmel, dass er noch lebte.
Ja-mahn! Denn mehr als leben wollte er nicht. Will war erschöpft. Er war einfach müde. Dankbar und müde und er wollte nur Ruhe.
Doch Jay-Nice Jo-P-Lin klang nicht gerade geduldig. »Ich bin hier, Will, und ich warte schon sehr lange auf meinen Schatz.«
Er hob seinen Kopf und suchte nach ihr. Doch die Hexe war nicht bei ihm in der Höhle.
»Na komm schon! Wir haben keine Zeit zu verlieren! Warum, das wirst du gleich erfahren. Das zeig ich dir, Will, sobald ich den Schatz von dir bekomme. Den kostbarsten Schatz, den es auf dieser Welt gibt.«
Will quälte sich aufzustehen. Er rang noch nach Atem. Die Lungen brannten in seiner Brust und sogen die Kraft aus seinen Beinen. Er taumelte, stolperte und wäre beinahe gestürzt. Doch er stützte sich gegen die Felswand des Ganges, der ihn aus der Höhle mit dem unterirdischen See in Serpentinen hinauf in die Schatzkammer führte.
Nein, sie war eine Halle. Eine Kathedrale aus Gold und die Schätze in ihr türmten sich an ihren Wänden bis zu der von unzähligen Säulen getragenen Decke hinauf. Am hintersten Ende stand ein goldener Thron auf einem Berg aus Diamanten und auf ihm saß Jay-Nice Jo-P-Lin.
»Poch! Poch! Poch!«, flüsterte die Hexe, die jetzt wieder jung war und nichts als einen Schleier trug. »Jetzt spielt dein Herzchen aber verrückt. Das muss an meiner Schatzkammer liegen. Die hat bisher jeden Piraten aus der Fassung gebracht.« Sie zwinkerte Will gerissen zu und nahm einen Schluck aus der schon halb leeren Flasche.
»Oh.« Sie musterte den verbliebenen Rest. »Noch haben wir Zeit, bis wir den Boden erreichen. Den Grund, Will, wo die Wahrheit liegt.«
Sie hielt kurz inne, trank dann noch einmal, drei kräftige Schlucke, und schielte dabei zu Will, der eingeschüchtert näher kam. Er blickte verlegen auf die Berge aus Gold.
»Also, was ist? Wo ist der Schatz, der all meine Schätze in den Schatten stellt? Will, du hast ihn doch, oder kommst du mit leeren Händen zurück?«
Sie hielt sich die Flasche wie ein Fernrohr ans Auge und musterte ihn durch sie hindurch.
»Was ist? Du siehst plötzlich so mickrig aus. So klein und so mickrig wie dein Schatz sein muss. Denn ich kann ihn nicht sehen.«
Schweißtropfen perlten aus Wills Haaransatz. Er konnte kaum atmen. Eine mächtige Faust hielt seine Brust fest umklammert und er fühlte sich so, wie die Hexe ihn sah. Mickrig und klein, denn die Schätze um ihn herum waren gigantisch.
»Da musst du ja etwas ganz Besonderes haben«, gluckste die Hexe, die seine Unsicherheit roch, »wenn es in deine Hose pas st, ohne sie auch nur auszubeulen.« Sie nahm die Flasche wieder vom Auge und trank vergnügt einen weiteren Schluck. »Aber so was kann es ja durchaus geben. Du kennst doch diese japanische Perle, die die Nacht zum Tag machen kann. Oder das Sandkorn aus dem Golf von Guinea, das sich durch Eishorizonte frisst. Aber sie alle sind nichts gegen den Sand aus der Höhle der Insel, auf der du gerade gewesen bist, oder den Ring der Witwe Chen, die dich zum Herrn über die Welt machen können. Tja, eigentlich habe ich gedacht, du würdest Hannah bestehlen. So wie ihr es jetzt schon seit Jahren macht.«
Sie seufzte ergriffen und schwärmerisch.
»Und insgeheim hab ich gehofft, dass du noch mutiger sein würdest. Dass du versuchen würdest, mich zu bestehlen.«
Ihre Augen blitzten verführerisch und sie schenkte ihm ein Lächeln, das so weich war wie der Klang ihrer Stimme.
»Los, komm etwas näher.«
Sie winkte ihm zu und Will konnte nicht anders. Er musste ihr gegen seinen Willen gehorchen. Er trat an den Rand des Diamantenbergs und fühlte, wie die Steine, die den Boden bedeckten, in seine Fußsohlen schnitten. Es war so, als würde er auf Rasierklingen laufen.
Hier komme ich nicht mehr lebend heraus!, schoss es ihm durch den Kopf und das Lächeln der Hexe bestätigte das.
»So ist es brav«, sagte sie zufrieden. »Und jetzt zeig ich dir das, was du mir ganz bestimmt mehr als gern mitgebracht hättest.«
Sie tastete mit den Fingerspitzen nach dem kleinen Beutel, den sie an einer sehr dünnen und kaum sichtbaren Perlenkette um den Hals trug. Der Beutel war höchstens so groß wie ein Maiskorn und als sie ihn abriss und danach vorsichtig öffnete, loderte eine Flamme aus ihm heraus. Die ließ sie auf ihrer Handfläche tanzen.
»Das ist die Flamme, die alles erschafft. Die alles so macht, wie du es dir wünschst.« Sie trank einen Schluck.
»Sie erschafft dir die Welt, in der du
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