Das Herz der Ozeane - Honky Tonk Pirates ; Bd. 5
würde ertrinken, wenn er jetzt floh. Da gab er sich auf. Und während ihn Talleyrands Männer packten und mit ihm zurück zum Milbenhelm tauchten, während er sein Bewusstsein verlor, raunte Gagga vor Staunen.
Denn er hatte Wills Tränen gesehen. Sie verschwanden nicht spurlos. Nein, sie glänzten wie kleine goldene Perlen, und schwebten so langsam und funkelnd nach oben.
IM HERZ DER OZEANE
uch Hannah spürte den Ruck, der über die Ozeane ging, als der alte Whistle starb.
Sie stand am Bug des Einbaums über dem Rammbock, der wie ein wütender Bison durch die Dünung stob, und blickte nach Westen, wo die Horizontlinie vor ihren tränenverschleierten Augen verschwand. Ja, Hannah stand mit dem Rücken zu Nat und zur Crew des Tatonka . Sie wollte nicht, dass er und seine stolzen Indianer sahen, dass sie wie ein kleines Mädchen weinte. Sie heulte und schluchzte. Sie konnte nicht anders, auch wenn sie Whistle dafür verfluchte, dass er solche Gefühle in ihr auszulösen vermochte. Solch eine Trauer, die ihr den Boden unter den Füßen wegzog und die ihr auch dann noch den Halt rauben konnte, als sie sich mit beiden Händen an den Klüverbaum klammerte.
Verfuchst und verflucht! Hannah hasste so große Gefühle und der Schmerz nahm ihr den Verstand! Die Piratin schrie wie ein verwundetes Tier und sie wurde noch wütender auf sich selbst, als sie erkannte, dass sie nicht nur um Blind Black Soul Whistle weinte.
Nein, sie weinte um Will.
Um diesen außergewöhnlichen Kerl, der noch so jung und trotzdem schon so verdammt weise war. So weise und mutig und unerschrocken zugleich. Ja, Will war selbst weise, wenn er leichtsinnig war. Er war intuitiv und wenn er sich irrte, wenn er einen Fehler machte, führte ihn dieser trotzdem zum Ziel. Verfuchst, Will war ehrlich, selbst wenn er log, und bei diesem Gedanken bekam Hannah Schwindelgefühle. Es drehte sich alles um sie herum. Um sie, die jeden ohne Skrupel betrog. Die sich an keine Abmachung hielt. Die, wenn sie zwei Sachen sagte, drei Lügen erfand, und die niemals heiraten wollte. Nein, sie hasste Gefühle. Die sperrten sie ein. Die raubten ihr ihre Freiheit. Ja, und als Whistle von ihr den Bund mit Will verlangt hatte, hätte sie ihn am liebsten getötet, zerfetzt, skalpiert und gehäutet. Ihn und auch Will. Doch jetzt heulte sie stattdessen um beide. Sie waren die Peste Angelicas . Die Engel in Teufelsgestalt, die die Welt jetzt brauchte und die sie beide verloren hatte.
Sie spürte Nats Hand auf ihrer Schulter und legte ihre Hand auf seine. Sie brauchte jetzt Halt. Der Schmerz war zu groß und Nat schien so sicher.
»Du kannst es nicht ändern!«, sagte er ernst und ganz ruhig und nahm sie vorsichtig in den Arm. »Aber ich würde so gern Whistles Nachfolger sein. Lass es mich doch versuchen. Nein, lass uns gemeinsam versuchen, unsere Freunde zu retten!«
Er strich ihr durchs Haar und …
… Gagga, der dies alles in der Kommandozentrale seines Milbenhelms mit angesehen hatte, hüpfte aufgebracht auf der Stelle.
»Hast du das gehört? Der Mistkerl schleimt sich bei Hannah ein!«
Er schnaubte und raufte sich die blau-weiß-rot gestreifte Perücke, stampfte mit den rosa Pantoffeln und zog sich die gelb gepunktete Knickerbocker über den Bauchnabel bis zu den Brustwarzen hoch.
»Hast du das gesehen?«, fragte er Will, der in Ketten hinter ihm stand und zeigte auf das augenähnliche Fenster, dass in der Stirn des Milbenkopfs steckte.
In dem sah Will – so wie schon einmal vor dem Wrack des Sklavenschiffes im Auge der Schlange – den über die Wellen hinwegschießenden Einbaum. Er sah seinen Bug und er sah Honky Tonk Hannah, die es jetzt zuließ, dass Nat sie umarmte.
»Oh, ich liebe mein Spielzeug!«, jauchzte der Prinz. »Man sieht alles und jeden. Es bleibt nichts verborgen, auch wenn das wehtut.« Er schenkte Will einen traurigen Blick. »Oh, ja, sie halten dich für einen Verräter. Für einen von uns.« Er ging auf Will zu und nahm seine Hände. »Das ist wirklich ganz kleinlich und unfair und …« Er suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. »… Das ist alles so traurig, dass es nicht zum Aushalten ist. Ich kann’s nicht ertragen. Das Gute ist immer so fürchterlich ernst. So ernst und so schwer und so schrecklich theatralisch. Wir retten die Welt. Wir befreien die Menschen. Wir besiegen das Böse. Wir beschützen das Glück. Oh, ja, das Glück!«
Er packte den Jungen und drehte sich tanzend im Kreis.
»Nur, wo ist dieses Glück?« Er blieb
Weitere Kostenlose Bücher