Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Das Herz der Savanne - Afrika-Roman

Titel: Das Herz der Savanne - Afrika-Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
Vom Netzwerk:
das der Schamane nur mit der Peitsche unterbinden konnte. »Ein Fluch liegt über den Nama. Wer hat den Fluch ausgesprochen? Wie können wir ihn bannen?«
    Der junge Mann hatte sich zwischenzeitlich gesetzt, sprang nun aber wieder auf. »Es gibt keinen Fluch. Es gibt nur Unterdrückung. Die wird von den Weißen gemacht. Wenn wir uns von ihnen befreien, wird es keine Flüche mehr geben.«
    »Schweig still, Städter! Du hast keine Ahnung. Was du für Politik hältst, kommt von den Ahnen. Wir müssen die Ahnen besänftigen, dann werden wir von den Flüchen befreit«, sagte Santos Bruder heiser. Tränen liefen ihm über das Gesicht. »Ich habe meinen Bruder verloren und meine Nichte.«
    Der Schamane schwang die Peitsche, einige der älteren Frauen sprachen besänftigend auf die weinende Thala ein.
    Horatio hörte und sah und versuchte zu verstehen. Doch es war unmöglich. Hier prallten zwei Welten aufeinander. Mit einem Mal verspürte er Wehmut. Ihm war, als würde die Geschichte der Nama an diesem Abend zu Grabe getragen. Das Alte wurde verbrannt, aber es gab noch keinen Platz für etwas Neues. Nur ein Loch, das niemand zu füllen vermochte. Er hob die Stimme. »Was ist mit dem Kind? Ama hat ein Kind zur Welt gebracht. Und Santo? Wo ist er?«
    Der Schamane schlug mit der Peitsche in Horatios Richtung. »Sprich nicht von dem Kind! Es gibt kein Kind. Es gibt nur einen Bastard, einen Mischling, ein Nichts ohne Herkunft und Zukunft. Es darf nicht um unser Feuer sitzen, es darf nicht aus unserer Kalebasse trinken. Es ist ein Nichts und gehört dem Nichts. Es ist kein Kind, es ist ein Fluch in Menschengestalt.«
    Thala brach erneut in Tränen aus. Der Älteste deutete anklagend auf Horatio. »Siehst du, was es bringt, das Kind? Leid und Tränen. Krieg und Tod. Sprich nicht mehr davon. Nie mehr. Niemals.«
    »Und Santo?«
    Der Schamane schwieg, die Frauen am Feuer senkten die Blicke. Niemand antwortete.
    »Habt ihr ihn vergessen? Verstoßen?«, wollte Horatio wissen. »Er ist einer von euch. Er hat großes Leid ertragen. Er braucht eure Hilfe.«
    »Es gibt niemanden in unserem Stamm, der Santo heißt. So ist es, so wollen es die Ahnen.« Der Älteste hatte leise gesprochen. Dann stand er auf. »Wir haben das Ritual vollzogen. Alle Macht liegt bei den Ahnen. Sie werden uns zeigen, wie wir weiter verfahren sollen.« Er deutete auf den Mond, der plötzlich einen rosa Kranz um sich trug. »Siehst du?«, fragte er.
    Horatio nickte.
    »Die Ahnen haben uns gehört. Es bleibt nichts mehr zu tun. Wir werden das Feuer löschen und zu Bett gehen.«

Siebzehntes Kapitel
    » W o warst du gestern Nacht, Horatio?«
    Er öffnete die Augen, wand die Schultern aus Ruths hartem Griff. »Wovon sprichst du?«
    Ruth schnappte nach Luft. »Wovon ich spreche? Ich bin aufgewacht, und du warst nicht neben mir.«
    »Und das ärgert dich so? Ich konnte nicht schlafen. Deshalb bin ich noch einmal aufgestanden und habe mir die Beine vertreten.«
    Ruth warf den Kopf zurück und stemmte die Fäuste in die Seiten. »Die Beine vertreten, dass ich nicht lache! Und deshalb sitzt Sergeant Lang jetzt in unserer Loggia und hat zwei Uniformierte in seinem Auto hocken, ja? Lüg mich bloß nicht an! Ich kann noch jetzt den kalten Rauch eines Lagerfeuers riechen.«
    Horatio richtete sich auf. Ein Blick auf den Wecker zeigte ihm, dass es kurz nach sechs war.
    »Wo warst du?«, herrschte Ruth ihn an. »Los, sag es mir.«
    Horatio schüttelte den Schlaf von sich. »Willst du mir nicht erst einmal erzählen, was eigentlich los ist? Was macht der Sergeant in aller Herrgottsfrühe auf Salden’s Hill?«
    Ruth ließ die Arme fallen. »Er sagt kein Wort. Nur, dass er dich dringend sprechen will. Das ist alles. Und das ist ungewöhnlich genug.«
    Horatio nickte. Er stand auf, zog sich Jeans und einen Pulli über, fuhr sich durch das dichte Haar und angelte die Brille von seinem Nachttisch. »Ich werde mit ihm sprechen.«
    »Nein! Halt!« Ruth hatte ihn beim Ärmel gepackt. »Zuerst sprichst du mit mir. Wo warst du diese Nacht? Was ist hier eigentlich los? »
    Behutsam befreite sich Horatio. »Das weiß ich so wenig wie du. Komm mit, dann hören wir uns gemeinsam an, was Sergeant Lang will.«
    Widerstrebend folgte Ruth ihm in die Loggia.
    Sergeant Lang hatte es sich unterdessen bequem gemacht. Er saß in einem Korbstuhl, vor sich eine Tasse mit frischem Kaffee, in der Hand eine Zigarette. »Ah, da ist er ja, unser schwarzer Bruder.« Er wedelte jovial mit der Hand und machte

Weitere Kostenlose Bücher