Das Herz Des Daemons
patrouillierte einer von Bastiens Truppe an ihm vorbei.
Ich sah zu der jungen Frau hinüber. Sie starrte zurück. Das blanke Entsetzen stand in ihren Augen. Ihre Atemzüge waren lediglich ein flaches, kurzes Keuchen. Es schien, als würde sie jeden Moment das Gleichgewicht verlieren oder einfach zusammenbrechen. Wie auch immer sie in diese Geschichte hineingeraten war: Sie hatte wahrscheinlich am allerwenigsten mit alldem zu tun.
Ich ruckte an Bastiens Arm. »Sie kann nicht mehr.«
Unwillig schaute er vonmeinem Handy auf. Mistkerl!
Ich ballte unwillkürlich die Faust. Privatsphäre war wohl ein Fremdwort für ihn. Erst nach einem kurzen Stirnrunzeln schien er zu begreifen, was ich meinte, und sah seinerseits zu ihr - und zuckte die Schultern. »Sie wird schon noch durchhalten.«
Ich biss mir auf die Zunge, um ihm nicht zu sagen, was ich von ihm hielt. Stattdessen holte ich tief Luft.
»Lass sie da runter und nimm mich an ihrer Stelle.«
Spottisch hob er eine Braue. »Ohne dir zu nahe treten zu wollen, mon ange: Ich bezweifle, dass der gute Adrien ebenso darauf bedacht wäre, dich am Leben zu halten, wieer es bei ihr ist. Immerhin sollte er dich ursprünglich ins Jenseits befördern. Du verzeihst mir also, wenn ich in diesem Fall kein Risiko eingehe.« Er wandte sich wieder meinem Handy zu. »Sie bleibt, wo sie ist.«
»Du ...!« Ich krümmte mich und übergab mich. Nur am Rande nahm ich wahr, dass jemand einen Arm um meine Mitte legte und verhinderte, dass ich mit dem Gesicht voran in der Lache vor meinen Knien landete. Bastien war es zumindest nicht, denn der war zurückgewichen; die Handschellen verdrehten meinen Arm nach oben. Irgendwann kam nicht einmal mehr Galle - und trotzdem zogen meine Innereien sich in qualvollen Krämpfen zusammen. Wer auch immer mich hielt, hob mich schließlich auch hoch, legte mich auf etwas, das sich unter meiner Wange vage wie Holz anfühlte, und breitete einen Mantel über mich, in dem ein Hauch Wärme hing. Mit einem Stöhnen kauerte ich mich weiter zusammen, zumindest versuchte ich es. Das Zittern wollte nicht nachlassen, ebenso wenig wie der reißende Schmerz in meinem Magen oder das Gefühl, dass sich die Welt um mich herum drehte und schwankte. Ich konnte mich nicht bewegen, wollte es auch gar nicht. Alles, was ich wollte, war, dass der Schmerz nachließ.
Über mir knurrte eine Stimme etwas. Sie klang so unendlich weit weg ...
Ich lag einfach nur da.
Manchmal war da ein Ruck an meinem Arm.
Manchmal hörte ich die Stimme über mir, manchmal auch zusammen mit anderen. Es interessierte mich nicht.
Ich lag einfach nur da.
Als ich aus meinem dumpfen Dahindämmern erwachte, war ich nach wie vor an Bastion gefesselt. Mir war noch immer kalt, aber das Zittern war vergangen. Ebenso der Schmerz in meinem Magen. Nur der Geschmack nach Galle hing nach wie vor in meinem Mund. Jemand hatte eine Jacke, nein, eher einen Mantel, über mich gebreitet. Es war wie beim letzten Mal: Der Anfall war vorbei und es ging mir wieder gut. Man hatte meinen können, alles sei nur ein böser Traum gewesen. Die Augen halb geschlossen lag ich auf dem rauen Holz der Kisten und rührte mich nicht.
Bastion telefonierte. Nachdem er die Person am anderen Ende immer wieder mit mon père ansprach, musste es sich wohl um Gérard handeln. Was er sonst sagte, konnte ich - abgesehen von einem gelegentlichen oui, non oder bien sûr -nicht verstehen. Dazu redete er zu schnell. Mit elle war wohl ich gemeint, denn er sah dabei ein ums andere Mal auf mich herab. Offenbar entging ihm dabei nicht, dass ich wieder wach war. Nach einer gefühlten Ewigkeit legte er auf und schob das Handy in seine Jackentasche.
»Mein Vater kann es kaum erwarten, uns endlich in Marseille zu begrüßen«, erklärte er laut - und scheinbar an niemand Bestimmtes gewandt - in die Halle hinein.
»Vor allem deshalb, weil nicht nur einer, sondern gleich beide der DuCranier-Zwillinge mich begleiten werden. - Du kannst dir vorstellen, was das für ihn bedeutet, nicht wahr, Adrien? « Lächelnd lehnte er sich zu mir. »Und auf dich, mon ange, freut er sich ganz besonders.« Mir spitzen Fingern strich er mir das Haar aus dem Gesicht. Sekundenlang musterte er mich dann nachdenklich, ehe er sich noch naher zu mir beugte. »Sag, mon ange, kann es sein, dass sich das mit dir demnächst erledigt hat?«
Ich starrte ihn benommen an.
»Na ja, du zitterst, hast Magenkrämpfe, kotzt dir die Seele aus dem Leib, auch wenn es gar nichts mehr zum
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