Das Herz Des Daemons
und sah wieder in die Dunkelheit hinaus. Am Ende wusste Bastien vielleicht sogar bereits, wer mein »Leibwächter« wirklich war. - Aber hätte er es dann nicht schon den Fürsten gemeldet?
Mir war nicht bewusst gewesen, dass die Stille zwischen uns mehr als einen Moment angedauert hatte, als Julien leise »So wie du brütest, hat Bastien wohl einiges gesagt. - Will ich es wissen?« in sie hineinseufzte. Was auch immer ich ihm hatte antworten wollen, war vergessen, als ich denMund öffnete.
»Halt an!«, keuchte ich.
»Was?« So verblüfft Julien auch war, er reagierte augenblicklich und trat mit voller Kraft auf die Bremse. Die Reifen der Vette kreischten. Ich riss schon am Türgriff, als sie noch nicht mal richtig zum Stehen gekommen war, stieß die Tür auf, taumelte hinaus, fiel auf die Knie - und übergab mich. Wieder und wieder und wieder, und selbst als nur noch Galle kam, würgte ich sie noch hervor - bis es schließlichbei einem qualvoll trockenen Würgen blieb. Julien kniete die ganze Zeit neben mir - irgendwann waren seine Arme einfach da gewesen -, stützte mich, hielt mir die Haareaus dem Gesicht und murmelte beruhigend. Als es vorbei war, wischte er mir den Mund mit einem Taschentuch ab--wusste der Himmel, wo er es herhatte - und lehnte mich gegen sich. Ich zitterte, mir war heiß und kalt zugleich, mein Magen schmerzte, als wäre irgendwie flüssige Lava hineingelangt, mein Hals fühlte sich wund an und in meinem Mund war der bittere Geschmack der Galle, den ich nicht runterschlucken konnte, sosehr ich mich auch bemühte.
Ich nahm nur seltsam vage wahr, dass ich
hochgehoben, zur Vette getragen und behutsam auf den Beifahrersitz gesetzt wurde. Stöhnend zog ich die Beine an. Gedämpfte Schritte, gleich darauf wurde eine Decke über mich gebreitet. Juliens Hand berührte meine Stirn, meine Wangen, meinen Hals. Die Tür neben mir schlug zu, dann die auf der anderen Seite. Der Motor der Vette heulte auf, die Reifen drehten durch. Ich kauerte mich noch mehr zusammen, kämpfte gegen den Schwindel und die Übelkeit, drückte die Arme gegen meinen schmerzenden Magen. Julien fuhr viel zu schnell. Immer wieder spürte ich seine Berührungen, federleicht, besorgt. Ich hätte ihn so gerne beruhigt, irgendwie, aber ich brachte keine vernünftige Silbe zustande. Endlich kam die Vette zum Stehen. Wieder knallte eine Tür, meine öffnete sich, Julien nahm mich samt Decke auf die Arme, trug mich durch eine Tür, eine Treppe hinauf: das Anwesen und nicht das Krankenhaus, Gott sei Dank, ich hatte genug von Krankenhäusern. Behutsam legte er mich auf mein Bett, zog mir die Schuhe aus, Strümpfe, Hosen, deckte mich mit meiner Bettdecke bis zur Hüfte zu, machte mit meiner Jacke und meinem Oberteil weiter, breitete die Decke endgültig über mich. Und die ganze Zeit hörte ich seine Stimme: leise, beruhigend - und in der Tiefe angespannt vor Sorge. Dass sie plötzlich verstummte, schreckte mich ein wenig aus meinem Dahindämmern. Doch bevor mein Verstand sich aus seiner Benommenheit befreit hatte, war er wieder da. Er hob meinen Oberkörper ein wenig an, lehnte mich gegen sich. Die Augen zu öffnen schien meine Kräfte zu übersteigen. Es war, als hätte mein Körper beschlossen, dass er nicht mehr mir gehörte.
»Hier. Spül dir den Mund aus«, sagte er direkt neben meinem Ohr und setzte mir ein Glas an die Lippen. Ich nippte daran - Wasser -, tat, was er gesagt hatte, und spuckte es wieder in die Schale, die er mir unters Kinn hielt. Er wiederholte die Prozedur noch ein paarmal mit mir, bis ich ihm zu verstehen gab, dass der scheußliche Geschmack vergangen war. Vorsichtig half er mir mich wieder hinzulegen, abermals war ich kurz allein. Als er dieses Mal zurückkam, stellte er etwas neben meinem Bett auf den Nachttisch, hob meine Decke, schob etwas darunter, an meinen Bauch. Eine Wärmflasche. Ich seufzte leise. Seine Hand berührte noch einmal mein Gesicht und meinen Hals. Dann wurde es still.
Als ich aufwachte, war es dunkel in meinem Zimmer. Eine einzelne Kerze brannte aut meinem Schreibtisch. Die Wärmflasche war abgekühlt. Mein Magen hatte sich beruhigt und auch mein Kopf war wieder klar. Wenn ich es nicht besser gewusst hätte, hätte ich alles nur für einen bösen Traum gehalten.
Auf dem Nachttisch stand eine Plastikschüssel. Julien saß neben meinem Bett auf dem Boden. Die Schulter an den Bettrand gelehnt, das Gesicht mir zugewandt, den Kopf halb auf seiner Schulter, halb auf der Matratze. Seine Augen
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