Das Herz Des Daemons
du ihn entdeckt hast, nachdem sie das Crystal in deinem Spind gefunden hatten.«
»Ja.«
Irritiert runzelte ich die Stirn. »Du hast es gewusst?«
»Nein. An dem Tag war er selbst für mich zu weit weg, als dass ich den Fahrer auf die Distanz hätte erkennen können. Aber als er mit dem gleichen Wagen bei uns auf dem Anwesen auftauchte ... Silber ist eine ziemlich ungewöhnliche Farbe für einen Ferrari. Normalerweise ist diese Sorte Auto knallrot oder kanariengelb.«
»Könnte er dir das Crystal ...?«
»Schon möglich. Das Geld dazu hätte er. Und Bastien liebt es, solche Spielchen zu spielen.« Seine Worte waren vo)llkommen tonlos. »Aber er tut es ebenso wie Gérard nie ohne irgendeinen zusätzlichen Hintergedanken.«
»Was meinst du?« Ein seltsames Zittern war plötzlich in meiner Magengrube.
»Wenn es ihm gelungen wäre, mich aus dem Weg zu
räumen, wäre es für ihn leichter gewesen, an dich ranzukommen.«
»Aber was hätte ihm das gebracht? Abgesehen davon, dass er mir den Hof machen könnte, ohne dich in der Nähe zu haben.«
»Was denkst du, warum dein Großonkel einen Vourdranj zu deinem Beschützer gemacht hat?« Seine Hand legte sich in meinen Nacken, mit dem Daumen berührte er federleicht denVerband an meiner Kehle. »Du bist die Princessa Strigoja. Wenn es einem von uns gelingt, dich während deines Wechsels an sich zu binden
... Wir sind eine intrigante Brut, Dawn. Um Macht zu erlangen, tun wir fast alles. Deshalb wird es vor allem Gérard absolut nicht gefallen, dass ausgerechnet ein DuCranier bei dir ist.«
»Du meinst, du könntest ...« Ich schluckte. Bisher hatte mir noch niemand erklärt, was dieses »an sich binden« bedeutete, aber es klang nicht besonders erstrebenswert.
Und
auch
Bastien
hatte
vorhin
denselben Verdacht geäußert. Das Lächeln, mit dem Julien mich bedachte, jagte mir eine Gänsehaut über den Rücken.
»Ja, ich könnte.« Sein Griff in meinem Nacken veränderte sich für den Bruchteil einer Sekunde. Dann strichen seine Fingerknöchel an meinem Hals entlang bis zu meiner Wange empor, wo sie für nicht mehr als einen Augenblick zart verharrten. Plötzlich war die Gefahr aus seinem Lächeln verschwunden und er war wieder der Junge, den ich liebte. »Aber ich würde nicht.«
»Gut zu wissen.« Mein Magen hatte sich zu einem schmerzhaften
Klumpen
zusammengezogen
und
weigerte sich, sich wieder zu entspannen. »Hast du bei der Polizei etwas herausgefunden?«
»Nein. Nichts außer dem Üblichen: Prostitution, Diebstahl, Raub, Mord, irgend so ein Scheißkerl, der ein Stück südlich von hier zwei junge Frauen vergewaltigt und anschließend erwürgt hat ... Aber keine unidentifizierten Personen, egal ob lebend oder tot.« Er spreizte kurz die Hände am Lenkrad. »Vielleicht sollte ich es so sehen: Keine Nachricht ist eine gute Nachricht.« Die Worte klangen bitter.
»Denkst du, Bastien sucht wirklich nach Adrien ... Julien?«
»Er wird es vermutlich nicht selbst tun ... aber er wird entweder seine Entourage dazu abgestellt oder sich unter den örtlichen Ratten entsprechende Handlanger gesucht haben - oder beides. Aber suchen wird er, ja.«
»Seine Entourage? Du meinst, er ist nicht allein?«
Julien schnaubte spöttisch. »Natürlich nicht. Er ist der Adoptivsohn des Fürsten vonMarseille. Das wäre unter seiner Würde. Gérard würde so etwas nie dulden.«
»Das heißt, er hat ein paar andere Lamia bei sich?«
»Oder
den
ein
oder
anderen
von
Gérards
Geschaffenen.«
Ich sah aus dem Fenster. Das war nicht fair. Bastien verfügte offenbar über alle nur erdenklichen Ressourcen, und Julien ... hatte obendrein mich am Hals. Und wenn er tatsächlich hinter der Crystal-Geschichte steckte - woran es für mich eigentlich keinen Zweifel gab -, also in der Montgomery gewesen war ... Ich schloss die Augen. Soweit es die Lamia und Vampire betraf, war Julien Adrien. Aber als er nach Ashland Falls gekommen war, hatte er nicht vorgehabt, länger zu bleiben als unbedingt nötig. Deshalb hatte er seinen eigenen Vornamen auf den gefälschten Schulformularen eingetragen. Und nun? Nun kannten ihn an der Montgomery alle unter »Julien DuCraine« und diese »Fehleinschätzung«, wie Julien unser Proble m lapidar nannte, hing wie ein Damoklesschwert über uns. Denn sollte sich jemals ein Lamia oder Vampir dazu herablassen, in der Schule Erkundigungen
einzuholen,
würde
unser
ganzes
Lügengebäude zusammenbrechen wie ein Kartenhaus. Ich rieb mir übers Gesicht
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