Das Herz Des Daemons
wurden lauter.
So gelassen wie möhlich trat er vor die Glasscheibe. Dahintersaß eine junge Frau, das Handy am Ohr, in ein Telefonat vertieft.
»Einmal den gleichen bitte.« Er hatte weder auf die Filmtitel geachtet noch sich einen gemerkt.
Die Frau sah nur kurz auf. »Acht fünfzig«, teilte sie ihm zwischen zwei Sätzen mit und klagte ihrem Gesprächspartner weiter ihr Leid, dass sie ausgerechnet heute Abend arbeiten musste. Schweigend schob er ihr einen Schein hin, nahm sein Wechselgeld und die Karte.
»Saal drei«, beschied sie ihm noch, dann galt ihre Aufmerksamkeit schon nicht mehr ihm.
Er widerstand dem Drang, sich nach den Männern umzusehen, während er, wie das Pärchen zuvor, tiefer in das Foyer hineinging, auf die 3 zu, die über einer zweiflügligen
Tür
prangte.
Ein
müde
wirkender
Platzanweiser kontrollierte seine Karte und führte ihn mit einer Taschenlampe bewaffnet einen Gang hinunter zu seinem Platz. Nicht dass er den hellen Lichtkegel vor sich auf dem Boden gebraucht hätte: Er konnte in der Dunkelheit ebenso gut sehen wie jeder andere hier bei Tageslicht.
Auf der Leinwand führte eine schwarz gekleidete Rothaarige einen jungen Mann durch die Gänge von etwas, das wohl ein Schlachthaus war. Dahinter verbarg sich ein Klub. Der Film lief also schon. Mit einem Nicken dankte er dem Mann, setzte sich und streckte sein verletztes Bein aus. Er hatte nicht vor, lange zu bleiben, aber
wenn
er
gleich
wieder
ging,
würde
das
Aufmerksamkeit erregen. Und mit ein wenig Glück durchkämmten die Jäger später auch nicht mehr diese Gegend.
Vor ihm auf der Leinwand ging ein roter Regen - Blut? - auf die Tanzenden nieder, über den Techno-Beats der Musik wurden verzückte Schreie laut. Plötzlich verfügten alle Anwesenden außer dem jungen Mann über Fänge. Zwei Sitze weiter klammerte sich eine Frau an den Arm ihres Begleiters. In einer Mischung aus Unglauben und Entsetzen verfolgte er das Gemetzel auf der Leinwand. Abgetrennte Gliedmaßen und ganze Körper, die unter Aufglühen zu Staub zerfielen, verbrannte Leichen, die wieder zum Leben erwachten und Menschen anfielen, die ihnen zufällig am nächsten waren ... Und die ganze Zeit wartete er darauf, dass diese grotesken Szenen für ihn einen Sinn ergaben, mehr wurden als ein verwaschenes Zerrbild, das sich im einen Moment vage richtig anfühlte und im nächsten wieder vollkommen falsch.
Konnte irgendetwas davon stimmen? Wenn ja, was?
Was? - Er trank Blut, seine Eckzähne wuchsen sich zu Fängen aus ...
Auf der Leinwand hob der Held die verletzte Frau im weißen Kittel aus seinem Wagen und trug sie zu einem Metalltisch, während er seinen Freund herbeirief.
»Sie ist gebissen worden.«
Sein Freund kam hinkend heran. »Dann hattest du sie töten sollen.«
»Ja, ich weiß.« Der Held nahm seine dunkle Brille ab und schob sie in die Jacke. »Aber ich hab's nicht getan.«
Sein Freund schaute auf die stöhnende Frau hinab, sah wieder ihn an. »Du darfst sie nicht aus den Augen lassen. Wenn sie sich verwandelt, wirst du sie töten müssen.« Er knipste eine Lampe oberhalb des Tisches an, warnte noch kalt: »Sonst tu ich es«, und machte sich daran, die Frau zu untersuchen.
»Es ist hart an der Grenze. Noch eine Stunde und die Verwandlung wäre zu weit fortgeschritten«, teilte er ihm dann mit.
Die beiden unterhielten sich weiter, während er der Frau Knoblauch in den Hals injizierte. Von der Wunde an ihrer Kehle stieg zischend Rauch auf, während der Held sie mit einer Hand auf dem Tisch festhielt. Mit einem
»Ihre Chancen stehen fünfzig-fünfzig, falls sie die Nacht übersteht«, kehrte der Freund des Helden zu seiner Arbeit zurück.
Er starrte auf die Leinwand, Und wenn er das, was er war, auch durch seinen Biss übertrug? Wenn er Kaihleen ... Abrupt stand er auf. Wenn auch nur die Möglichkeit bestand, dass auch sie sich verwandeln könnte, dass auch ihre Chancen fünfzig-fünfzig standen, so zu werden wie er, dass er sie »angesteckt« hatte, musste sie das erfahren.
Rasch drängte er sich durch die Reihe zum Gang und zur Saaltür. Ärgerliches Zischen folgte ihm. Er ignorierte es. Es konnte gut sein, dass sie ihn noch nicht mal in ihre Nähe ließ oder ihm kein Wort glaubte. Beinah hatte er aufgelacht. Wie sollte sie ihm etwas glauben, von dem er selbst nicht wusste, ob es stimmte oder nur der Fantasie eines Filmemachers entsprungen war. Aber wenn doch ... dann war es seine Pflicht, ihr zu helfen, sie zu beschützen. - Oder sich
Weitere Kostenlose Bücher