Das Herz Des Daemons
zusammengekniffen begutachtete er mein Werk und nahm mir gleichzeitig den Nagellackentferner und den Wattepad ab.
»Abschneiden
wäre
einfacher
gewesen«,
kommentierte er dann kopfschüttelnd.
»Wage es nicht...« Ich machte einen Schritt rückwärts, als könne er aus dem Nichts eine Schere hervorzaubern - was mich schmerzhaft mit dem Rand des Waschbeckens kollidieren ließ -, und funkelte ihn warnend an.
»Keine Angst. Der Schaden ist schon angerichtet. Ich hoffe, dein Shampoo taugt was.« Er griff sich den
Verschluss und drehte ihn auf den Nagellackentferner, stellte ihn beiseite, warf den Wattepad zu den anderen und fasste mich am Kinn, um mein Gesicht ins Licht zu drehen. »Hübsch«, meinte er nach einem Moment. Ich streckte ihm die Zunge hinaus. Spöttisch hob er eine Braue. »Ich nehme mal an, du willst den Rest deiner Kriegsbemalung auch loswerden?«
»Natürlich«, indigniert warf ich einen Blick in den Spiegel.
Einer seiner Mundwinkel zuckte in einem schiefen Lächeln. »Ich schätze, ich hab was Besseres als deinen Nagellackentferner.« Er fischte eine meiner Cremes von meiner Seite des Badezimmerregals und drückte sie mir in die Hand. »Die hier wirst du danach aber brauchen. - Warte hier.«
Damit ließ er mich stehen. Ich sah ihm nach. Wenn man es genau nahm, hatte ich nicht wirklich vorgehabt, mich wegzubewegen. Aber das musste ihm wohl entgangen sein.
Er war schneller zurück, als ich erwartet hatte. Wenn man allerdings ohnehin bei einer Treppe stets zwei Stufen auf einmal nahm und sowieso längere Beine hatte ... von gewissen anderen Fähigkeiten ganz zu schweigen, war das kein Wunder. In der Hand hielt er eine leicht verbeulte Metalldose.
»Was ist das?«, erkundigte ich mich misstrauisch.
»Terpentinöl.« Julien drehte sie so, dass ich die Aufschrift lesen konnte. »Setz dich ans Fenster.«
»Damit willst du an mein Gesicht?« Mit diesem Zeug hatte mein ehemaliger Leibwächter Simon, der auch Chauffeur und Hausmeister gewesen war, sich unter anderem immer die Hände sauber gemacht, wenn er an einem der Autos gearbeitet hatte. Ich wusste gar nicht, dass so etwas in diesem Haus überhaupt existierte.
»Du hattest das Gleiche mit Nagellackentferner vor.«
Er langte an mir vorbei nach der Tüte mit den Wattepads. Abermals beäugte ich die Metalldose. Wo er recht hatte, hatte er recht. Seufzend fügte ich mich in mein Schicksal. Julien ließ sich mir gegenüber auf der Fensterbank nieder, mit dem Rücken zur schon wieder überraschend tief stehenden Sonne. Hatten wir tatsächlich so lange in der Turnhalle geschuftet?
Er tränkte den ersten Wattepad mit dem Terpentinöl, beugte sich ein wenig näher zu mir und begann meine künstlichen Sommersprossen wegzutupfen. Langsam arbeitete er sich von oben nach unten. War er mit einer Stelle fertig, tauchte er die Fingerspitzen in meine Creme und verteilte sie behutsam genau dort, bevor er sich der nächsten zuwandte.
Die ganze Zeit schaute ich ihm ins Gesicht. Sein Mund, der nicht halb so weich aussah, wie er sich unter meinem gewöhnlich anfühlte, und bei dem die Unterlippe ein klein wenig voller war als die obere. Die schmalen Wangen,
über
denen
seine
eleganten
hohen
Wangenknochen ein bisschen ausgeprägter wirkten, als sie eigentlich waren. Die dunklen Brauen, die sich so beredt heben oder zusammenziehen konnten; die langen, dichten Wimpern von der gleichen Farbe, um die ihn so manche Frau beneidet hätte. Und seine Augen, die mich unter leicht gesenkten Lidern konzentriert ansahen. Augen, die ihre Farbe je nach seiner Stimmung änderten und die in jeder nur vorstellbaren Schattierung von Silber schimmerten. Quecksilberaugen, dunkel,
unergründlich
und
geheimnisvoll
-
und
wunderschön. Augen, deren Farbe zu tödlichem Schwarz wechselte, wenn Julien zornig war. Und in deren Tiefen ein rotes Brennen nistete, wenn er Durst hatte.
Ich konnte meinen Blick einlach nicht von ihm losreißen. So wie seine Lippen sich zuweilen kräuselten, war ihm das durchaus bewusst.
Er hatte gerade den Bereich neben meinem Mund erreicht, als er sich unvermittelt stocksteif aufrichtete und auf etwas zu lauschen schien. Seine Augen weiteten sich. Im nächsten Moment drückte er mir die Terpentindose in die Finger und sprintete aus dem Bad. Eine Minute später war er wieder da, ein Handy in der Hand. Das neue ohne Branding, gegen das er das beschädigte seines Bruders ausgetauscht hatte. Er starrte aufs Display, klickte sich durch irgendwas
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