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Das Herz Des Daemons

Das Herz Des Daemons

Titel: Das Herz Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Acrylfarbe in die Hand zu drücken? Diese Frage stellte ich mir seit dem Augenblick, als ich mich zum ersten Mal im Spiegel gesehen hatte, nachdem wir vom Dekorieren der Turnhalle
    für
    den
    Halloween-Ball
    nach
    Hause
    gekommen waren. Auf meiner Stirn und meinen Wangen prangten rote Sommersprossen: rechts größere und mehr als links. Irgendwie hatte ich es geschafft, mir eine ungefähr zwei Finger breite rote Strähne in die Haare zu färben - die zusammengeklebt und steif war.
    Heute Morgen hatte ich Julien aut der Fahrt zur Schule gefragt, was »mon ange« bedeutete. Als er es mir gesagt hatte, entschied ich, dass »mein Engel« eine Vertraulichkeit war, mit der Bastien sich für unser erstes Treffen eindeutig zu viel herausgenommen hatte. Sollten wir uns tatsächlich noch einmal begegnen, würde ich ihm das unmissverständlich klarmachen.
    Ich ließ den Blick über meine Schmink-und
    Abschmink-Utensilien
    wandern
    und
    versuchte
    herauszufinden, welche davon am besten zur AcrylSommersprossen-Haarsträhnen-Entfernung geeignet
    waren.
    Nach
    einem
    Moment
    verwarf
    ich
    die
    Reinigungstücher und entschied mit einem Seufzen, direkt zum Nagellackentferner zu greifen.
    Dass ich den ganzen Tag versucht hatte, mich stets zwischen Julien und Neal zu halten, wenn die beiden sich einander auf mehr als drei Meter näherten, hatte an meinen Nerven gezehrt. Prellbock zwischen einem angefressenen Lamia und einem idiotischen Menschen zu spielen, war vielicht etwas für einen Adrenalin-Junkie, aber eindeutig nichts für mich. Obendrein war es wesentlich einfacher, wenn wir normalen Unterricht hatten. Wenigstens hatte Neal endlich begriffen, dass es für ihn absolut nicht gesund war, sich weiter mit Julien anzulegen oder dessen persönliche Demarkationslinie in irgendeiner anderen Form zu überschreiten.
    In Todesverachtung tränkte ich einen Wattepad mit Nagellackentferner und nahm mir meine rote AcrylHaarsträhne vor. Es dauerte keine fünf Minuten und das Bad stank so entsetzlich nach Aceton, dass ich Kopfschmerzen bekam. Ich riss Fenster und Tür sperrangelweit auf und machte verbissen weiter. Vor mir im Waschhecken sammelten sich rot verklebte Wattepads. Meine Haare hatten inzwischen nur noch einen leicht rötlichen Schimmer, dafür waren sie jetzt stumpf und erinnerten mich unangenehm an Stroh.
    »Die nächsten zwei Tage werde ich nichts anderes riechen als dieses Zeug«, sagte Julien so unvermittelt vonder Tür her, dass ich beinah einen Satz machte.
    »Was tust du da eigentlich?« Natürlich: Erhatte die scharfen - und entsprechend empfindlichen - Sinne eines Raubtieres. Ich warf einen schuldbewussten Blick auf das beinah leere Fläschchen in meiner Hand und drehte mich zu ihm um. Die Hände lässig in die Hosentaschen geschoben lehnte er im Rahmen.
    Als ich heute Morgen in seinen Armen aufgewacht war, hatte er noch genauso dicht neben mir gelegen wie gestern: seine Brust an meinem Rücken, seine Knie in meinen Kniekehlen, und so nah, wie-es ihm die Bettdecke nur erlaubte. Er war bereits wach gewesen - oder vielleicht hatteerauch die ganze Nacht nicht geschlafen. Der Ausdruck in seinen Augen und der Zug um seinen Mund hatten mir verraten: Was er mir gestern über die Geschehnisse in Marseille erzählt hatte, hatte eine alte qualvoll tiefe Wunde neu aufbrechen lassen. Ich hatte nicht noch einmal daran gerührt. Und Julien ... Er gab vor, nur sehr erleichtert zu sein , dass ich mich von meiner Magen-Darm-Virus-Attacke wohl wieder vollständig erholt hatte.
    Den ganzen Tag war er nicht von meiner Seite gewichen. Jeder Versuch meinerseits, etwas zu heben, was schwerer war als eine Halbliterdose Farbe, wurde von ihm vereitelt. Stieg ich auf eine Leiter, tauchte er darunter auf, um sie festzuhalten; wahlweise bereit, mich herunterzureißen, sollte ich auch nur das winzigste Anzeichen von Unwohlsein erkennen lassen, oder mich aufzufangen, falls mir urplötzlich schwindlig werden sollte oder ich am Ende von einem Tritt abrutschte. Über seine bittere Gutenachtgeschichte verlor er kein Wort. - Ich hatte nichts anderes erwartet. Julien war niemand, der seine Gefühle so einfach vor anderen offenbarte. Und einige verbarg er selbst vor mir. Zumindest versuchte er es ...
    »Entschuldige, ich habe nicht daran gedacht ...« Sein Schulterzucken und dass er sich vom Türrahmen abstieß und die Hände aus den Hosentaschen zog, während er zu mir herüberkam, hielten mich davon ab, das Fläschchen zuzuschrauben. Die Augen leicht

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