Das Herz Des Daemons
Farbspitzern versaut hatte. Julien erwartete mich an den Rahmen seiner Zimmertür gelehnt. Seine Lederjacke hatte er schon übergezogen und spielte scheinbar gelangweilt mit den Schlüsseln der Vette. Als ich vor ihm die Treppe hinabstieg, fragte ich mich, ob er vielleicht eine Waffe bei sich trug. Immerhin wusste ich, dass Adriens Pistole hier im Haus war. Ich hatte sie damals gefunden, als ich Juliens Sachen auf irgendwelche Hinweise durchsucht hatte, nachdem er voneinem Tag auf den anderen spurlos verschwunden war.
Auf der Fahrt zu Susan schärfte er mir ein, bei den Jamisens zu bleiben, bis er mich wieder abholte, egal wie spät es wurde. Notfalls sollte ich bei ihr schlafen. Nicht dass Letzteres ein Problem gewesen wäre. Susan - wie ihre Mutter - hatte mich so oft dazu eingeladen, dass sie eine
»Mädchen-Nacht«
vor
dem
Halloween-Ball
vermutlich für eine fantastische Idee halten würde. Aber bei seiner Predigt fühlte ich mich ein wenig wie ein kleines Kind, das zum ersten Mal den Schulweg allein bewältigen sollte. Und ehrlich gesagt, er jagte mir damit allmählich Angst ein.
Er wartete mit laufendem Motor neben dem
Bordsteinrand, bis Susan mich hineinließ, ehe er sich endgültig auf den Weg machte. Das Quietschen der Reifen war offenbar bis in die Küche zu hören gewesen, zumindest empfing mich Mrs Jamis mit einem Kommentar bezüglich Juliens »gewagem« Fahrstil - bevor sie die Reste meiner Kriegsbemalung und die Farbspuren auf meinen Kleidern entdeckte. Die Kürbisse - und Susan - mussten auf mich warten: Sie schleifte mich ins Bad und nahm sich mit Nagellackentferner und einer Flut anderer Flüssigkeiten und Cremes meine verbliebenen roten Sommersprossen vor. Als sie fertig war, entging ich nur knapp einer Gurkenmaske.
Im Gegensatz zu mir war sie außerdem der Meinung, dass meine Sachen noch zu retten waren. Sie fragte nicht lange, was ich davon hielt, sondern ließ mich Pullover und Jeans ausziehen und ihr überlassen. Als Ersatz dafür bekam ich eine ausgebeulte Latzhose von Susan und ein langärmeliges Shirt, das offensichtlich auch schon einmal Bekanntschaft mit Farbe - allerdings weißer - gemacht hatte. Erst jetzt durfte ich mich zu Susan und denKürbissen gesellen. Ich war sehr schnell sehr froh, dass Mrs Jamis' Küche gefliest war.
Wir trennten bei jedem der gelben Ungetüme gewissenhaft einen Deckel ab und höhlten sie sorgfältig aus. Fruchtfleisch und Kerne wurden in unterschiedliche Schüsseln geschaufelt, wobei ich nicht wissen wollte, wie lange es bei den Jamisens in nächster Zeit Kürbis in allen Variationen und zu allen Gelegenheiten geben würde. Obwohl wir uns bemühten, nicht übermäßig zu kleckern, hatten wir doch nach einer gewissen Zeit überall orangefarbenes Fruchtfleisch an uns hängen. Mike nutzte eine Stippvisite, bei der er vorgab, sich eine Cola aus dem Kühlschrank holen zu wollen, um ein bisschen über Frauen und ihre Fähigkeiten in der Küche zu lästern. Er trat aber sehr schnell den Rückzug an, als wir begannen ihn mit Kürbiskernen zu bewerfen,' und drohten, als Nächstes mit Fruchtfleisch weiterzumachen. Danach erinnerte die Küche endgültig an ein Schlachtfeld.
Susan hatte es bisher geschafft, ihre Neugier zu bezwingen. Doch jetzt hielt sie es nichht mehr aus und nutzte die Gelegenheit, als ihre Mutter uns in der Küche allein ließ, um mich zu fragen, was mit mir und Julien war. An einem Tag schwiegen wir uns an, am nachsten lieferte er mich zum Kürbisschnitzen bei ihr ab und ging dann seiner Wege ... Sie versicherte mir mindestens drei Mal, dass sie sich nicht in meine Angelegenheiten einmischen wollte und dass es sie ja auch letztlich nichts anging, aber Julien hatte nun mal einen gewissen Ruf, und wenn man es genau nahm, wusste eigentlich niemand so richtig etwas über ihn, geschweige denn seine Vergangenheit ... Kurzum: Sie hatte Angst, dass Julien mich schlecht behandelte oder mich irgendwie von sich abhängig gemacht hatte und mich jetzt so einschüchterte, dass ich es nicht wagte, jemandem die Wahrheit zu erzählen. Bei der Vorstellung hätte ich beinah lachen müssen. Ich versuchte ihr einen Kürbisschnitzgang lang klarzumachen, dass zwischen uns alles in Ordnung war. Okay, wir hatten die ein oder andere Meinungsverschiedenheit gehabt. Aber gehörte so etwas nicht zu jeder Beziehung? Ich war mit Julien glücklich und würde ihn um nichts in der Welt missen wollen. Auch wenn ich das weder ihr noch irgendjemand anderem gegenüber jemals laut
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