Das Herz Des Daemons
aussprechen würde: Er war mein Leben. - Ob sie mir glaubte, konnte ich nicht sagen. Zumindest ließ sie es dabei bewenden.
Als endlich alle Kürbisse ausgehöhlt waren und Mrs Jamis das gelborange Fruchtfleisch in einem Rudel Plastikbehälter verstaute - einen Teil davon wollte sie einfrieren -, machten Susan und ich uns ans Fratzenschnitzen. Die Aussicht, mit einem großen, scharten Messer herumspielen zu können, lockte binnen Kurzem auch Mike von seinem PC zu uns in die Küche. Wir verpassten den Kürbissen Spiral-, Dreiecks-und Schlitzaugen, und unsere Mundvarianten reichten von gar keinen, über einzelne bis zu quadratischen und spitzen Zähnen. Mikes Kürbis wies dabei eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit Pac-Man auf. Ganz nebenbei schafften wir es sogar, kein Blut zu vergießen und uns auch nicht selbst zu verstümmeln.
Anschließend trugen wir unsere Kunstwerke in die Garage hinaus, die Mr Jamis vorübergehend hatte aufgeben müssen. Mit Massen an Haarspray verliehen wir ihnen zusätzlichen Glanz und gaben uns der Illusion hin, dass sie damit etwas weniger schnell vergammeln würden.
Von Anfang an hatte ich regelmäßig auf die Uhr gesehen. Inzwischen tat ich es immer öfter. Es ging bereits auf zehn zu, draußen war es schon eine kleine Ewigkeit stockdunkel und Julien hatte bisher nichts von sich hören lassen.
Mrs Jamis bot an, einen großen Topf ihrer herrlichen Pasta zu kochen, nachdem wir schließlich auch das Schlachtfeld aufgeräumt und sauber gemacht hatten. Selbst wenn ich versucht hätte abzulehnen, hätte mein Magen mich mit seinem Knurren verraten. Da sie den Verdacht hegte, dass mir beim letzten Mal davon so entsetzlich schlecht geworden war, versprach sie sogar, ihre Lieblingszutat wegzulassen: Knoblauch. Auch wenn meine Übelkeitsattacke damals andere Gründe gehabt hatte, ließ ich sie in dem Glauben. Denn so göttlich ich die Soßenvon Susans Mutter fand: Ich würde zugunsten einer Knoblauchfahne nicht auf einen einzigen Kuss von Julien verzichten, wenn ich es irgendwie vermeiden konnte. Wir
waren
bei
Vanilleeis
mit
Schokosplittern
angekommen, als es klingelte. Ich hielt mich an meinem Eisbecher fest, sonst wäre ich noch vor Mr Jamis an der Haustür gewesen. Mein Herz klopfte - und dann kam Julien in die Küche. Was auch immer in diesem Moment auf meinem Gesicht zu sehen war: Es entlockte Mrs Jamis ein Lächeln und Susan ein Stirnrunzeln. Julien nickte ein höfliches »guten Abend« in die Runde, trat hinter mich, lehnte sich über meine Schulter und gab mir einen züchtigen Kuss auf die Wange. Die dunklen Gläser seiner Brille verbargen seine Augen. Dennoch sagte mir alles an ihm, dass die SMS nicht nur ein böser Streich gewesen waren. Offenbar war da noch mehr nicht so gelaufen, wie Julien es gewollt hatte. Meine Kehlezog sich zusammen. Ich räusperte mich und hielt ihm einen Löffel Eis hin, wie das wohl jedes Mädchen getan hätte deren Freund sich nicht von einer ganz bestimmten Diät ernährte.
»Magst du?«
Julien ging auf meine Komödie ein und griff an mir vorbei, um den Eisbecher in meiner Hand so zu drehen, dass er lesen konnte, was die weiße Masse alles enthielt, ehe er in vorgetäuschtem Bedauern den Kopf schüttelte, »Nicht für mich. Danke.«
»Es muss schlimm sein, wenn man gegen so viele Dinge allergisch ist«, meinte Mrs Jamis mitleidig und verwarf offenbar gerade den Gedanken, Julien etwas von den Resten der Pasta anzubieten.
Gleichmütig hob er die Schultern. »Man gewöhnt sich dran. Es nervt nur manchmal, immer wieder von Neuem erklären zu müssen, warum man sich so selten in der Schulkantine blicken lässt.« Er sah auf mich herunter.
»Was ist mit deinen Sachen passiert?«
»Mrs Jamis meinte, sie könne sie noch retten .« Ich schob mir eine große Portion Eis in den Mund.
»Susan bringt sie dir am Montag mit in die Schule, Liebes.« Ihre Mutter lächelte mich quer über den Tisch an, dann nickte sie Julien zu. »Möchtest du dich nicht setzen, während Dawn zu Ende isst?«
Bei seinem höflich gemurmelten »danke, gern, wenn es Ihnen nichts ausmacht«, wurde Mrs Jamis Blick irgendwie ... gütig? Natürlich hatte sie schon von Juliens Ruf an der Schule gehört, auch wenn sie ihn bisher noch nicht kennengelernt hatte, aber - sein Ruf hin oder her - Julien hatte Manieren, die ihn zum potenziellen TraumSchwiegersohn machten. Auch wenn er sie vor den wenigsten herauskehrte. Ich verbarg mein Grinsen hinter dem nächsten Löffel Eis. Es war gut
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