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Das Herz Des Daemons

Das Herz Des Daemons

Titel: Das Herz Des Daemons Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynn Raven
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Barrings
    zusammengestellt
    hatte,
    waren
    ebenso
    darunter
    verborgen
    wie
    die
    muskelbepackten
    Sagengestalten, die an die Wände gelehnt die Logen auf ihren Schultern trugen, der mächtige Kronleuchter mit den unzähligen Facetten oder die ähnlich prächtigen Wandleuchter. Selbst der Boden von Zuschauerraum und Bühne verschwand darunter. Doch abgesehen davon, dass sich jemand die Mühe gemacht hatte, die gläserne Kuppel über uns von altem Vogeldreck und verrotteten Blättern zu befreien, sodass man den schwarzsamtenen Nachthimmel mit seinen Sternen sehen konnte, hatte sich nichts verändert. Es schien beinah, als hätten Mr Brewers Leute die Arbeiten wieder eingestellt, nachdem sie alles unter Plastik begraben hatten.
    Julien runzelte neben mir in unübersehbarem Unwillen die Stirn, legte den Geigenkasten auf den Rand der Bühne, durchquerte den Saal und machte sich absolut skrupellos daran, die Planen eine nach der anderen
    von
    den
    Wänden
    und
    den
    Logen
    herunterzureißen. Ich schluckte. Irgendwie war ich davon ausgegangen, dass wir keine Spuren hinterlassen würden. Auf dem Weg zurück zu mir ging er an den aufeinandergestapelten Stühlen vorbei, holte einen davon unter dem Plastik hervor, stellte ihn auf die Bühne und überwand den knappen Meter dort hinauf mit einem geschmeidigen Satz, ehe er auch mir - erheblich weniger elegant - hochhalf. Er bedeutete mir, die Geige zu nehmen, während er den Stuhl bis ungefähr zur Mitte der vorderen Bühnenhälfte trug, ihn dort abstellte und dann auch die Folie darunter und ein gutes Stück darum herum vom Boden riss. Anschließend förderte er aus seiner Jacke ein knappes Dutzend Teelichter zutage, die er in einigem Abstand auf dem Boden verteilte und anzündete.
    »Ma demoiselle.« Mit einer neuerlichen Verbeugung bot er mir den Sitzplatz an. Vorsichtig stieg ich über die Kerzen hinweg und setzte mich. Er schlüpfte aus seiner Jacke und legte sie mir um die Schultern. Seine Finger streiften meine, als er mir den Geigenkasten abnahm.
    »Soll ich ...?« Ich flüsterte, ohne zu wissen warum. Fragend hob ich die Taschenlampe. Als Julien nickte, knipste ich sie aus. Schlagartig schien es jenseits der Kerzen noch dunkler zu sein. Ich schmiegte mich tiefer in seine Jacke.
    Er brauchte kein Licht, um die Geige und den Bogen aus dem Kasten zu holen. Mit routinierten Griffen spannte er den Bezug des Bogens, hob die Geige unters Kinn, strich prüfend über ihre Saiten, nahm sie wieder herunter und wiederholte das Stimmen, bis er zufrieden war.
    Dann begann er zu spielen: kaum hörbar zuerst, nur ein wenig mehr als ein Hauch, der sich langsam, unendlich langsam steigerte - bis der Klang das Bohemien erfüllte. Ich saß da und vergaß, wie man atmete.

    Er hatte für mich schon vorher gespielt, aber das hier ... war etwas anderes. Julien stand keine Sekunde wirklich still. Es war, als ... würde er eins mit seinem Instrument, der Musik - und mit mir, auch wenn ich nur wie gebannt auf meinem Stuhl saß, denn er löste seinen Blick nicht ein Mal aus meinem, während er um mich herumschritt; mal innerhalb, mal außerhalb des Kreises aus Kerzenflammen. Das polierte Holz der Geige schimmerte bei jeder Bewegung in ihrem Licht Und die ganze Zeit veränderte sich Juliens Miene, so a1s habe er nicht nur die Melodien im Kopf, sondern auch jedes Wort der dazugehörigen Texte. Er spielte Stücke, von denen ich nie angenommen hätte, dass jemand ihnen mit einer einzigen Geige so viel Ausdruck verleihen könnte, ja dass man sie mit einer einzigen
    Geige
    überhaupt
    spielen
    könnte.
    Seine
    Bewegungen änderten sich, als würde er bei Liedern, die eigentlich Duette waren, die Persönlichkeit wechseln. Seine Finger tanzten über die Saiten. Er brachte die Geige zum Weinen, dass es mir die Kehle zusammenzog, und im nächsten Moment ließ er sie jubilieren, dass ich beinah mitlachen musste. Was er mit der Geige und dem Bogen - und durch sie mit mir - tat, war Magie. Nein, keine Magie: dunkle Hexerei! Seinem Vater vom Teufel persönlich in die Wiege gelegt und an ihn, den Sohn, weitervererbt. Zum ersten Mal konnte ich verstehen, warum man ihn damals Teufelsgeiger genannt hatte: Er schlug mich in seinen Bann. Und selbst wenn ich mich ihm hätte entziehen wollen - ich hätte es nicht gekonnt.
    Keines der Stücke übernahm er eins zu eins. Manchmal glaubte ich ein Motiv oder eine etwas längere Tonfolge zu erkennen. Doch gleich darauf verwandelte Julien sie wieder zu etwas anderem, Neuem.

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