Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)
wie man im Winter am besten überlebt, bereits von der Wiege an beigebracht.«
»Warum bist du nach Amerika gezogen? Und warum gerade nach Maine?«
Was sollte er ihr sagen? Nicht viel, das stand fest.
Er zuckte mit den Schultern. »Es sah danach aus, als ob es das Richtige für uns vier wäre. Wir wollten uns ein eigenes, unabhängiges Leben aufbauen. Und obwohl Maine mehr Wälder hat als Schottland, schien es ansonsten richtig.«
Er konnte ihr ja wohl kaum erzählen, dass Daar, der alte Priester, sie davon überzeugt hatte, dass genau dieser Berg die richtige Zukunft für sie bergen würde.
Nur schade, dass Daar auch den MacBains das Leben gerettet hatte. Sie alle waren gestorben, weil sie es nicht fertig brachten, sich anzupassen. Alle, außer Michael MacBain. Als der Hundesohn sich plötzlich allein in dieser Welt fand, war er ihnen nach Maine gefolgt. Und Grey hatte seine ganze Macht als Laird und Herr seines geschrumpften Clans einsetzen müssen, um seine Männer daran zu hindern, dass sie Michael zur Hölle zu den anderen MacBains schickten.
»Ich bin wieder bereit. Was glaubst du, wie weit wir bisher gekommen sind?«, fragte Grace.
»Ungefähr eine Meile«, antwortete er wahrheitsgemäß und war froh, dass sie nicht weiterfragte.
»Eine Meile!«
»Die Eiskruste auf der Schneeoberfläche wird zunehmend dicker und bald wirst du darauf gehen können, ohne einzusinken.
Allerdings wächst damit das Risiko, auszurutschen und hinzufallen.«
»Wir werden es nicht schaffen, stimmt’s?«
»Doch«, erklärte er ihr. »Und bis zum Tagesanbruch sitzt du vor einem Feuer.«
Zum ersten Mal in seinem Leben musste er allerdings ein ernsthaft gegebenes Versprechen brechen, war Grey drei Stunden später klar.
Grace war am Ende ihrer Kräfte. Die Eiskruste war zwar dick genug, um sie zu tragen, aber, genau wie er befürchtet hatte, war sie mehr als einmal gefallen, war einen steilen Hang hinuntergerutscht und über einen eisbedeckten Felsbrocken gestolpert. Diesmal merkte er, dass der Sturz ihr den Rest gegeben hatte.
Er half ihr beim Aufstehen und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Seine Hand war feucht, als er sie zurückzog, und er wusste, dass das nicht vom Regen kam. Sie weinte schweigend und ohne ein Wort zu sagen.
Er musste sie zurücklassen, und das widersprach allen seinen Instinkten. Die Temperatur war zwar nur knapp unter dem Gefrierpunkt, aber Grace war aufgeweicht bis auf die Haut. Und sie hatte keine sichtbaren Reaktionen mehr darauf: Weder schwitzte sie, noch zitterte sie. Ihr erschöpfter Körper produzierte keinerlei Wärme mehr.
»Setz dich hin und ruh dich aus«, wies er sie an und half ihr zu einer Stelle im Schutz einer großen Fichte.
Grey wanderte herum und stampfte mit dem Fuß gegen die Eiskruste. Er fand eine Stelle, wo er bis zum Schenkel einsank. Er ging zu ihr zurück und hob das Baby aus seinem Nest.
»Es wird unruhig. Ich glaube, du solltest den Kleinen füttern. Kannst du das machen?«, fragte er.
»Ja«, antwortete sie mit kaum hörbarer Stimme.
Er legte ihr das Baby in die Arme und zog eine der Flaschen hervor, die er ganz unten in den Sack auf seiner Brust gepackt
hatte, damit sie warm blieben. »Wenn du fertig bist, werde ich seine Windeln wechseln. Es ist wichtig, dass er trocken bleibt.«
Sie antwortete nicht. Sie war zu sehr damit beschäftigt, ihre Aufgabe zu erfüllen. Grey sah ihr nur eine Minute lang zu, dann wandte er sich wieder dem Loch zu, das er in die Eiskruste geschlagen hatte, und fing an zu graben. Er schaffte den Schnee aus der Schneewehe unter dem Eis heraus und erzeugte damit eine Öffnung, die groß genug für einen Menschen war. Dann brach er mehrere Kiefern- und Fichtenzweige ab, befreite sie durch Schütteln vom Eis und legte sie auf den Boden der kleinen Höhle.
Mit seiner Arbeit zufrieden kehrte er zu Grace zurück und stellte fest, dass das Baby unruhig geworden war. Grey hob den Jungen hoch und legte ihn sich an die Schulter, wo der Kleine einen Rülpser losließ, der einem Trinker alle Ehre gemacht hätte. Grey zog seine Jacke aus, breitete sie auf den Boden aus, legte das Baby darauf und wechselte geschickt die Windel. Dann wickelte er den Kleinen wieder warm ein und wandte sich Grace zu.
»Wie fühlst du dich?«, fragte er.
»Prima.«
»Grace«, sagte er und zog ihr behutsam die Jacke aus. »Ich glaube, es ist Zeit, dir frische Kleider anzuziehen.«
»Ich habe keine dabei«, sagte sie und versuchte, ihre Jacke festzuhalten.
Er zog sie
Weitere Kostenlose Bücher