Das Herz des Highlanders: Roman (German Edition)
Das war entschieden zu einfach gewesen. Sie betrachtete das Bündel mit den Kleidern und fühlte sich elend. Nur ein sehr aufmerksamer Mann hätte daran gedacht, ihr etwas zum Anziehen mitzubringen, während er ihr gleichzeitig das Leben rettete.
Und als Dank dafür hatte sie seine Gefühle verletzt. Das Baby begann sich in der Kiste neben ihr zu rühren, und Grace schüttelte schnell das Bündel mit den Kleidern aus. Ihre Arme fühlten sich schwer an, und ihre Muskeln wollten nicht so recht, aber sie zwang sich, sich aufzusetzen und die Arme in das Hemd zu stecken, das Grey ihr mitgebracht hatte. Sie musste die Ärmel weit aufkrempeln, um ihre Hände überhaupt zu finden. Dann nahm sie die riesigen Wollsocken und zog sie über ihre Füße.
Sie schwang die Beine über den Rand des Bettes, zog die weiten Jogginghosen an und stand auf, um sie hochzuziehen. Dabei wäre sie fast umgekippt.
Hinter ihrer Stirn dröhnte es, und ihre Knie fühlten sich
wie Pudding an. Grace ließ sich sofort wieder hinplumpsen und griff mit beiden Händen nach ihrem Kopf, damit das Zimmer aufhörte, sich um sie zu drehen.
Also gut, so ging es nicht. Sie musste sich entschieden behutsamer bewegen.
Sie war bei ihrem dritten Versuch aufzustehen, ohne sich zu erbrechen, als sich die Tür der Hütte öffnete und Grey mit einem Arm voller Feuerholz hereinkam. Grace schlurfte langsam zum Baby. Sie war klug genug, es nicht auf den Arm zu nehmen, aber sie konnte ihm liebevoll den Rücken reiben. Vielleicht würde es dann noch weiterschlafen, so dass sie mehr Zeit hatte, ihre Muskeln wieder unter Kontrolle zu bringen. Ihr Kopf dröhnte zwar noch, aber wenigstens hatte das Zimmer aufgehört, sich zu drehen.
»Bist du wirklich so stur, Mädel, oder hat die Kälte deine Vernunft eingefroren?«, fragte Grey, der plötzlich direkt neben ihr stand.
Grace drehte sich mit einem Ruck um und wäre gefallen, wenn Grey sie nicht aufgefangen hätte. Sie klammerte sich an seine Jacke und sah direkt in seine grünen Augen. Ihr Versuch, ihn zurückzuweisen, verwandelte sich in ein Quietschen, als er sie mit einer raschen Bewegung in die Arme hob und hinüber zum Tisch trug. Er setzte sie auf einen Stuhl und schob ihr die Schüssel mit dem Eintopf hin. Dann zog er die Jacke aus und ging wieder hinüber zu dem Baby.
Grace starrte die Mahlzeit an. Irgendwie klappte die ganze Sache nicht so recht. Die enge Beziehung, die sie beide während der vergangenen Nacht auf dem Berg geknüpft hatten, verblasste. Sturheit – auf beiden Seiten – war an Stelle der bisherigen Zusammenarbeit getreten.
Grace schaute auf und sah das nun wache Baby auf Greys Arm, der in ihrer Tasche nach einer Flasche mit Babynahrung suchte. Sie schluckte nun etwas Eintopf und hätte beinah lustvoll
gestöhnt über das angenehme Gefühl, mit dem er durch ihre Kehle rann, wobei ihr endlich klar wurde, wie hungrig sie war. Grey setzte sich mit dem Baby auf die gegenüberliegende Seite des Tisches, und der Kleine saugte zufrieden an seiner Flasche. Grace beschloss, dass es an der Zeit war, noch einmal einen Verständigungsversuch mit dem Mann zu starten.
»Stell dir unsere Positionen umgekehrt vor«, schlug sie Grey vor, der den Kopf hob und sie fragend musterte. »Wie sehr wärest du an meiner Stelle darauf bedacht, wieder auf die Beine zu kommen und dein Leben selbst in die Hand zu nehmen?«
Er schüttelte den Kopf. »Das kann man nicht vergleichen, Grace. Du bist eine Frau.«
Grace sah in gespielter Überraschung an sich herunter. »Ach tatsächlich?« Sie glättete die Vorderseite ihres Hemdes. »Stell sich das mal einer vor! Und was hat die Tatsache, dass ich eine Frau bin, damit zu tun, dass ich mein Leben selbst bestimmen will?«
Er lehnte das Baby nun an seine Schulter und begann ihm den Rücken zu reiben. Dabei betrachtete er sie immer noch kopfschüttelnd. »Das ist einfach ein Naturgesetz, Grace. Frauen sind nun mal schwächer. Körperlich«, fügte er hastig hinzu, als sie Luft holte, um zu widersprechen.
Grace klappte den Mund zu, lehnte sich nach ihrer Mahlzeit auf ihrem Stuhl zurück und kreuzte die Arme vor der Brust. Sie wusste nicht, ob es daran lag, dass sie jetzt einen vollen Magen hatte, oder an dem Zorn, der in ihrem Inneren wuchs. Auf jeden Fall fühlte sie sich plötzlich viel stärker.
»Und genau deswegen sind wir an der Stelle, an der wir uns jetzt gerade befinden«, fuhr er fort. »Weil ich die körperliche Ausdauer hatte, uns von diesem Berg
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