Das Herz des Jägers
gestürzt, als er aus dem Hubschrauber kam. Es waren noch weitere Schüsse gefallen, vielleicht hatte er sogar noch ein oder zwei Kugeln abgekommen.
Nehmen wir mal an, der Bastard ist härter, als wir glauben, nehmen wir an, er fährt weiter …
Dann wäre Mpayipheli vor ihm. Er hätte wenigstens zwei Stunden Vorsprung.
Würde er ihn einholen können?
Das hängt davon ab, wie schnell der Mistkerl fahren konnte – er mußte essen, er mußte sich ausruhen, er mußte etwas trinken, mußte tanken.
Es war möglich.
Vielleicht schlief er irgendwo, dann würde Tiger auf ihn warten. An der Brücke über den Sambesi, gleich hinter dem Ort, an dem das Wasser des großen Flusses und des Chobe sich trafen.
Ein guter Ort, um zu sterben, in Afrika.
|333| Bevor er das Licht ausschaltete und sich in das weiche Doppelbett legte, saß er da und starrte das Telefon an. Sein Verlangen nach Miriam und Pakamile war überwältigend – nur ein Anruf: »Sorgt euch nicht um die Nachrichten im Radio, es geht mir gut, ich bin fast da, ich liebe dich«, mehr wollte er nicht sagen, aber wenn sie das Telefon abhörten, wüßten sie sofort, wo er war, dann würden sie ihn holen kommen.
Wenn er nur mit jemandem Kontakt aufnehmen und sagen könnte, daß die schrecklichen Informationen auf der blöden Festplatte kaputt waren: Eure dunklen Geheimnisse sind in Sicherheit und keine Gefahr mehr, laßt mich in Ruhe, laßt mich einem alten Freund helfen, und dann laßt mich nach Hause zurückkehren.
Morgen würde er dasein, morgen nachmittag würde er Lusaka erreichen. Er hatte die Schilder gelesen – keine Straßensperren hinter Gaborone, keine Verfolgungsjagden mit den Oryx, offensichtlich wollten sie sich nicht an die Regierung Botswanas wenden, sie wollten die Sache in der Familie belassen. Wahrscheinlich warteten sie in Lusaka auf ihn, aber das war in Ordnung, damit würde er klarkommen, er war in der Kunst des Häuserkampfes ausgebildet worden. Morgen wäre alles vorüber. Er hatte das Gefühl, als versänke er in dem Bett, tiefer und tiefer, er war so müde, sein ganzer Körper war erschöpft, aber in seinem Hirn blitzten immer wieder Bilder des zurückliegenden Tages auf. Er wußte um die Folgen der Schußwunden, das Fieber, den Effekt der Schmerzmittel, die vier Dosen Cola und den Brandy, die er nach seinem Essen, das der Zimmerservice gebracht hatte, heruntergeschüttet hatte.
Wir haben ein Club-Sandwich mit Pommes oder einen Cheeseburger mit Pommes, wie Sie wünschen
. Er konnte seine Gefühle einordnen, aber er konnte sie nicht unterdrücken, er fühlte sich so allein.
Nicht zum ersten Mal. Andere Städte, andere Hotelzimmer, aber das war etwas anderes gewesen, damals hatte es keine Miriam gegeben.
Es hatte nie eine Miriam gegeben, bevor er sie gefunden |334| hatte. Da waren andere Frauen gewesen, in Odessa die Prostituierten, die von der Stasi geschickten Huren, die sich um ihre Bedürfnisse kümmerten, die dafür sorgten, daß die Männer ihr Testosteron verbrannten, damit sie sich auf ihre Ausbildung konzentrieren konnten. Danach gab es Richtlinien: Laß dich mit niemandem ein, verlieb dich nicht, bleib nicht bei einer Frau. Aber seine Ostblock-Meister hatten nicht mit der Faszination der Skandinavierinnen für Schwarze gerechnet. Großer Gott, diese Schwedinnen waren schamlos geil auf ihn. Bei seinem ersten Besuch 1982 machten sich drei in einer Coffee-Bar in Stockholm an ihn heran, eine nach der anderen, bis er floh, er war sicher, daß etwas nicht stimmte, daß es sich um eine NATO-Gegenspionage-Operation handelte.
Erst ein Jahr später hatte Neta es ihm erklärt: So war das nun mal einfach, sie fuhren alle auf ihn ab, sie wußte auch nicht, warum. Agneta Nilsson, langes, feines, blondes Haar und zwei wilde Wochen voller Leidenschaft in Brüssel, bis der KGB einen Boten geschickt hatte, um ihm mitzuteilen, daß es nun reichte, er überschritt die Grenze, er würde sich Ärger einhandeln. Er, Thobela Mpayipheli aus der Kei, hatte Weißbrot gegessen, das weißeste, was es gab, er hatte sich vollgestopft, bis er nicht mehr konnte, aber nicht sein Herz, sein Herz blieb leer, bis er Miriam sah.
Nicht einmal 1994 war sein Herz so leer gewesen, als er auf den Anruf eines Mannes wartete, der mittlerweile Minister war, er wartete auf seine Belohnung, er wartete darauf, an dem Sieg teilzuhaben, die Früchte zu ernten, er wartete. Tagelang ging er durch die Straßen, ein Fremder in seinem eigenen Land, nicht mehr seinem eigenen
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