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Das Herz des Jägers

Titel: Das Herz des Jägers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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ersten Begegnung im Büro des Bankberaters war er ihr nicht einmal aufgefallen – bloß ein weiterer Kunde. Sie hatte den Tee von dem Beistellwagen auf das Tablett gestellt und das Tablett auf den Tisch geschoben und genickt, als der Berater und sein Kunde sich bei ihr bedankten, und dann hatte sie die Tür hinter sich zugezogen. Sie hatte nicht im entferntesten geahnt, daß diese einfache Tätigkeit ihr ganzes Leben verändern würde. Er war ihr bis in die Küche gefolgt, offenbar hatte er der Sekretärin des Beraters erzählt, er wollte ihr sagen, wie gut der Tee gewesen sei, er hatte ihr seine Hand hingestreckt und gesagt: »Ich bin Thobela Mpayipheli.« Sie fand, das sei ein schöner Name, ein ehrlicher Name. »Thobela« bedeutete »respektvoll«.
    Sie fragte sich allerdings, was er wollte. »Ich habe Sie in Van der Lindes Büro gesehen. Ich wollte mit Ihnen reden.«
    »Worüber?«
    »Alles.«
    »Wollen Sie sich mit mir verabreden?«
    »Ja, gerne.«
    »Nein, danke.«
    |89| »Bin ich zu häßlich?« fragte er mit seinem Lächeln und den breiten Schultern.
    »Ich habe ein Kind.«
    »Einen Jungen oder ein Mädchen?«
    »Ich habe jetzt keine Zeit zu reden. Ich muß arbeiten.«
    »Sagen Sie mir bloß Ihren Namen, bitte.«
    »Miriam.«
    »Vielen Dank.« Er hatte keines der üblichen Schlagworte benutzt, er hatte sich nicht amerikanisch cool verhalten, wie man es in den Townships tat, er war gegangen, und sie hatte weitergearbeitet. Zwei Tage später kam ein Anruf für sie – bei der Arbeit, daher fürchtete sie, daß jemand gestorben wäre. Er mußte sie erinnern, wer er war, er fragte sie, wann sie Mittagspause mache. Sie wich ihm aus und bat ihn, sie nicht mehr bei der Arbeit anzurufen, es gab keinen eigenen Apparat in der Küche, und man schätzte es an der Rezeption nicht, wenn die Angestellten die Leitungen blockierten.
    Am nächsten Tag wartete Thobela draußen, er lehnte nicht irgendwo an einer Mauer, sondern stand genau vor dem Ausgang, die Beine leicht gespreizt, die Arme vor der Brust verschränkt, und als sie sich in den Sonnenschein am Thibault Square begeben wollte, war er einfach da. »Darf ich mit Ihnen gehen?«
    »Was wollen Sie?«
    »Ich möchte mit Ihnen reden.«
    »Warum?«
    »Weil Sie eine wunderschöne Frau sind und ich mehr über Sie erfahren möchte.«
    »Ich kenne genug Leute, besten Dank.«
    »Sie haben mir nicht gesagt, ob Sie einen Sohn oder eine Tochter haben.«
    »Das stimmt.« Er ging neben ihr her; sie setzte sich auf eine Stufe und schlug das Wachspapier auf, in das ihr Sandwich eingeschlagen war.
    »Darf ich mich zu Ihnen setzen?«
    |90| »Es ist ein öffentlicher Ort. Sie können sitzen, wo Sie mögen.«
    »Ich bin kein
Tsotsi

    »Das sehe ich.«
    »Ich möchte nur mit Ihnen reden.«
    Miriam ließ ihn reden. Sie steckte in der Klemme – Angst einerseits, Einsamkeit andererseits. Die Erfahrungen, die hinter ihr lagen, widersprachen den Möglichkeiten, die vor ihr liegen könnten. Sie mußte ihr Kind und ihr Herz beschützen vor dem großen, gutaussehenden, sanften, anständigen Mann, der da im Frühlingssonnenschein neben ihr saß. Ihre Lösung bestand darin, erst einmal abzuwarten, was passierte, sich einfach passiv zu verhalten. Sollte er reden – und das tat er. Jeden Tag wartete er auf sie, manchmal brachte er etwas zu essen mit, nie etwas Besonderes: belegte Brötchen, Chips mit dem unwiderstehlichen Aroma von Salz und Essig, manchmal eine kleine Schale mit Curry und Reis oder sein Lieblingsessen, ein Chili von dem moslemischen Imbiß in der Adderley Street, frisch, aromatisch und scharf. Er teilte sein Mittagessen mit ihr, und langsam begann sie aufzutauen. Sie erzählte ihm von Pakamile und ihrem Haus, für das sie so hart gearbeitet hatte, wie schwer es gewesen war, es abzuzahlen, und eines Tages kaufte er ein Geschenk für den Jungen, ein Puzzle, und sie sagte nein, es reicht, sie werde ihn nicht wiedersehen, sie werde Pakamile nicht der Enttäuschung aussetzen. Männer gingen immer irgendwann wieder weg. Männer blieben nie, er war ein guter Mann, aber sie war der Überzeugung, daß Männer nicht anders konnten, so war das Leben nun einmal: Männer gab es nur zeitweise. Sie waren unzuverlässig. Unnötig. Unnötig für Pakamile.
    »Nicht alle Männer«, hatte er gesagt, und es hatte ihr auf der Zunge gelegen zu entgegnen: »Das sagt ihr alle«, aber in seinem Blick lag etwas, das sie aufhielt und berührte. Sie sagte nichts, und dann sagte er: »Ich hatte ein wildes

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