Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)
schüttelte den Kopf. Ich werde schon damit fertig, besagten ihr Lächeln und die Kopfbewegung. Allerdings war sie froh, dass der Junge mit Hulda im hinteren Teil des Hauses saß und Englisch lernte. Schwer einzuschätzen, wie Pétur reagieren würde, wenn er ihn zu Gesicht bekäme.
Es war schön, dich gesehen zu haben, Pétur. Grüß Árni und Gvendur von mir.
Er erhob sich – wie groß er doch war – und setzte die Mütze auf. Er wollte noch etwas sagen, konnte es aber nicht, traute sich nicht, wollte nicht. Du bist meine Frau, stieß er schließlich hervor, um überhaupt irgendwas zu sagen, und kam zwei Tage später wieder. Er nahm Platz, beobachtete sie und ging, ohne mit ihr gesprochen zu haben, sie brachte ihm einen Kaffee, achtlos, wahrscheinlich aus einer der Gewohnheiten heraus, die das Leben angenehm und sklavisch zugleich machen. Dann verschwand er, stapfte mit langen Schritten zu seiner Hütte zurück, machte sich bemerkbar, als er näher kam, räusperte sich laut und spuckte aus, und da verstummte Elínborg drinnen im Haus, deren etwas dünne Stimme vorher nach draußen gedrungen war. Womöglich hatte sie über Andrea geredet, denn alle schlugen die Augen nieder, als Pétur eintrat, und er konnte nichts dagegen tun, außer seine Hand in der Tasche zu einer Faust zu ballen.
Dann tauchte er ein drittes Mal auf, gestern, am Abend, bevor der Junge mit diesem Bauern Bjarni erschien, von dem er ihnen ja erzählt hatte: Die Frau war gestorben, der Knecht im Sturm verschwunden, die Kinder und der Hund waren noch am Leben. Der Junge trat mit dem Bauern ein, von dem er ihnen erzählt hatte, dass es Andrea sofort so vorkam, als wäre sie ihm schon begegnet oder als wären sie sogar gute Bekannte.
Pétur war bei seinem dritten Auftauchen jedoch nicht in die Gaststätte gekommen, sondern hatte an der Ecke zur Sjávargata auf sie gewartet, wie lange, wusste sie nicht, aber er war vollkommen durchnässt; es hatte geregnet, und er wartete auf sie, pitschnass und irgendwie zerbrechlich, fand sie und konnte nichts sagen, ging nur langsamer, als sie ihn sah, dann gingen sie Seite an Seite schweigend weiter. Was hätten sie auch sagen sollen? Etwas Unbegreifliches war zwischen ihnen geschehen, etwas Undenkbares. Sie ließ es zu, dass er sie nach Hause begleitete, ließ ihn mit hinein und nahm ihn mit aufs Zimmer, weil er dermaßen nass und so anders war als sonst. Es ist auch etwas ganz anderes, in einem geschlossenen Raum zu sein, als unter freiem Himmel, unter Bergen, Häusern und Menschen. Sie waren sich in dem Kellerraum so nah, und das Schweigen fiel schwerer, es war schwieriger, die Hände zu verstecken und die Augen, und sie konnte nicht einmal Kaffee aufsetzen, das hätte schon einmal sehr geholfen.
Ich bin hier nur zum Schlafen, sagte sie entschuldigend, weil das Zimmer so ärmlich war. Es gab bloß ein Bett, einen einfachen Stuhl, einen kleinen Spiegel, eine Waschschüssel, den Nachttopf, zwei Bücher, das Englischlehrbuch und einen russischen Roman, den der Junge für sie ausgesucht hatte, und zwei kleine Bilder an der Wand.
Du brauchst etwas Aufmunterndes, hatte Helga gemeint und ihr die beiden Bilder in die Hand gedrückt, Gemälde aus dem Ausland, zwei kleine Bruchstücke aus einer Märchenwelt.
Pétur stand nass, kalt und viel zu groß und imposant in diesem winzigen Raum, nahm dann unsicher auf dem Bett Platz, griff aufs Geratewohl nach dem Englischbuch und legte es sofort wieder aus der Hand, als hätte er sich daran verbrannt. Andrea schaute weg und tat so, als bekäme sie nichts davon mit. Dann setzte sie sich ebenfalls aufs Bett, etwa eine Armlänge entfernt, beider Hände lagen unbeachtet im Schoß, die Zimmerdecke knackte, wenn über ihnen jemand ging, eine schrille Frauenstimme war zu hören, ein Kind weinte, lachte wenig später, und sie saßen bloß da, eine Armlänge Abstand und gut zwanzig Jahre zwischen sich.
Ich komme bloß zum Schlafen her, wiederholte sie.
Ja, sagte er.
Um sechs gehe ich in die Wirtschaft und bleibe da bis acht.
Bis acht.
Ja, bis acht.
Das sind vierzehn Stunden.
Ja, vierzehn Stunden, es gibt genug zu tun.
Wir haben guten Fang gemacht.
Prima.
Sie wollen einen dazu zwingen, den Fisch ungetrocknet zu verkaufen.
Ich habe davon gehört.
Das sind Halsabschneider.
Ja.
Ich gehe nicht mit Elínborg in den Verschlag, sagte er lauter als beabsichtigt.
Nein, das habe ich auch nicht angenommen, antwortete sie und lächelte verhalten.
Da legte er ihr seine Rechte
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