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Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Das Herz des Menschen: Roman (German Edition)

Titel: Das Herz des Menschen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jón Kalman Stefánsson
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direkt in die Augen. Sie hielt vier Gläser Bier in den Händen.
    Du hier?, sagte sie viele Minuten später, als sie Zeit hatte, zu ihm zu gehen, und als sie es sich traute. Die Hände steckte sie unter die Schürze, steckte sie wie einen Schrei in die Taschen.
    Ja, sagte Pétur und richtete sich ein Stück auf. Er war immer schon groß gewesen, auf den ersten Blick wirkte er nicht sonderlich stark, aber in seinen langen Armen steckten Bärenkräfte.
    Sorgt Guðrún für euch?
    Guðmundur und ich waren uns einig, dass es nicht gut wäre.
    Dass was nicht gut wäre?
    Dass seine Tochter sich länger in meiner Hütte aufhält.
    Willst du etwa behaupten, du hättest mit Guðmundur geredet?, fragte Andrea so erstaunt, dass sogar ihre Hände in den Schürzentaschen ruhiger wurden. Das wäre das erste Mal in zwölf Jahren!
    Männer müssen nicht miteinander reden, um sich zu verständigen, sagte Pétur, und der Zug um seine Mundwinkel wurde härter. Ich habe eine Frau aus der Umgebung genommen, meinte er schließlich, als Andrea einfach nur vor ihm stand, die Hände tief in der Schürze vergraben, und schwieg, als interessierte es sie gar nicht.
    Ach, hast du das? Aha. Etwa die Elínborg? Dann kann es ja kaum besonders sauber bei euch sein, sagte Andrea und musste fast lachen.
    Auf ihre Art ist sie tüchtig und tut das Nötigste. Und sie grübelt nicht über dummes Zeug, setzte er noch hinzu, als sie nichts sagte.
    Dann ist ja alles bestens, Pétur. Kommt sie vielleicht auch mit in den Verschlag?
    In den Verschlag, sagte er verdattert und war fast schockiert.
    Sie ist schön weich und üppig und ist nie schüchtern gewesen, meinte Andrea und lächelte. Völlig unbegreiflich. Pétur schluckte; er musste schwer schlucken. Was ging eigentlich mit dieser Welt vor? Kaufleute zwingen einen, den Fisch ungetrocknet zu verkaufen, englische Trawler fangen riesige Mengen an Fisch mithilfe von Dampfkraft weg, verstoßen gegen die Gesetze des Landes, als gäbe es sie gar nicht, fischen sogar in den Fjorden und dampfen einfach über die Boote hinweg, sollten sie ihnen im Weg sein, und die eigene Frau redet so mit einem. Was ist nur aus dieser Welt geworden? Weich und üppig und nie schüchtern. Er sah Elínborg blitzschnell vor sich, ihre entschiedenen, fast gewaltsamen Bewegungen, die breiten Hüften, den dicken Hintern, den runden Mund, mit dem sie jedem immer alles gleich heimzahlte, und da war es, als ob ihn kurz eine unkontrollierbare Gewalt durchzuckte, seine Augen glühten auf, für Sekundenbruchteile vermochte er kaum ruhig sitzen zu bleiben, dann war es vorüber, und er sah Andrea beunruhigt und verunsichert an, die doch früher nie so mit ihm geredet, sich nie derart aufgeführt hatte, aber sie hatte ihn vorher auch noch nie verlassen, nicht einmal die Möglichkeit wäre denkbar gewesen. Man trennt sich nicht, zumindest nicht, wenn man einigermaßen zurechnungsfähig ist. Man stirbt, und viel mehr gibt es nicht zu sagen. Pétur sah sie an und versuchte seine Wut zu schüren, denn sie hatte ihn doch verlassen, sie hatte sich verändert, nicht er, er war noch immer derselbe. Warum verändern sich Menschen? Ist das nicht Verrat? Oder Schwäche? Und warum saß er hier wie ein, ja, wie ein Bettler? Er hatte doch nichts verbrochen. Er war doch voll und ganz im Recht!
    Wann kommst du zurück?, fragte er und drehte die Handflächen nach unten, legte sie um die Kniescheiben. Er hatte große Hände.
    Darf ich dir irgendwas bringen? Das ist schließlich ein Wirtshaus hier.
    Ich bin deinetwegen hier.
    Ich arbeite.
    Du bist meine Frau.
    Ich weiß nicht, wer ich bin, Pétur.
    Ich hab es dir gesagt, ich habe dir gesagt, was du bist.
    Ich muss arbeiten.
    Ich kann es nicht ausstehen, dass du hier in diesem Haus lebst.
    Nicht?
    Diese Frau hat einen schlechten Ruf.
    Was über sie gesagt wird, fällt auf die zurück, die das behaupten. Geirþrúður ist als Mensch doppelt so viel wert wie wir beide zusammen, und sie hat den Mut, so zu leben, wie es ihr gefällt.
    Was ist nur in dich gefahren? Was, zum Teufel, ist in dich gefahren?, sagte er erregt, aber leise; sie sprachen nur so laut miteinander, dass sie ihre Worte bei dem Lärm hören konnten.
    Ich weiß es nicht.
    Die Männer begreifen dich auch nicht.
    Haben sie es etwa gewagt, in deiner Gegenwart über mich zu reden?
    Was heißt reden? Glaubst du etwa, man kann Dinge nur mit Worten ausdrücken?
    Andrea sah beiseite und begegnete Helgas fragenden Augen. Sie deutete ein Lächeln an und

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