Das Herz des Mörders (17) - Imitation in Death (Death 17)
gehörte, hieß eigentlich Pete Waterman, da aber seine Mutter eine geborene Riley gewesen war, hatte er sich den Namen kurzerhand von ihr geborgt.
Es war eine gute Möglichkeit, sich ihr Postgraduierten-Studium an der Columbia-Universität zu finanzieren. Sie hatte Gartenbau belegt, obwohl sie noch nicht sicher wusste, was genau sich mit diesem Diplom später einmal anfangen ließ. Sie ging einfach gern aufs College, und deshalb war sie auch mit dreiundzwanzig noch dort immatrikuliert.
Sie war eine hübsche, zierliche Person mit langen, glatten, braunen Haaren und braunen Augen, denen ihr argloses Wesen deutlich anzusehen war. Anfang des Sommers hatte sich ihre Familie wegen der Morde an mehreren New Yorker Studentinnen so große Sorgen um sie gemacht, dass sie nicht zu den Sommerkursen gegangen war.
Sie musste zugeben, dass auch sie selbst etwas verschreckt gewesen war. Das erste ermordete Mädchen hatte sie gekannt. Zwar nur flüchtig, aber trotzdem war es ein Schock für sie gewesen, als das Gesicht der Kommilitonin in den Nachrichten erschienen war.
Nie zuvor hatte sie jemanden gekannt, der gestorben war, erst recht nicht auf diese grauenhafte Art. Ihre Eltern
hatten sie deshalb nicht lange überreden müssen, sich möglichst oft zu Hause aufzuhalten und, wenn sie doch mal unterwegs war, besonders vorsichtig zu sein.
Die Polizei hatte den Killer inzwischen gefangen. Auch ihn hatte sie flüchtig gekannt. Was nicht nur ein Schock, sondern gleichzeitig seltsam aufregend gewesen war.
Nun, da sich die Lage wieder beruhigt hatte, dachte Marlene nur noch selten an das ihr kaum bekannte Mädchen und den Killer, mit dem sie eine Zeit lang im Internet gechattet hatte. Mit ihrer Familie, ihrem Teilzeitjob und ihrem Studium war ihr Leben wieder vollkommen normal.
In der Tat lief augenblicklich sogar alles fast ein wenig zu normal für sie. Sie wartete ungeduldig darauf, dass das Semester richtig begann. Sie sehnte sich inzwischen nach dem alten Treiben, verbrächte gerne wieder mehr Zeit mit ihren Freundinnen und spielte sogar mit dem Gedanken, die Beziehung zu dem Typen, mit dem sie vor Abbruch des Sommersemesters einen Flirt begonnen hatte, ein wenig auszubauen.
Zwei Blocks von der Wohnung entfernt, die sie mit zwei ihrer Cousinen teilte, stieg sie aus der U-Bahn. Es war eine gute Gegend, die ihre Familie billigte. Die Straßen waren ruhig und man hatte das Gefühl, in einer zuverlässigen Nachbarschaft zu wohnen. Der Gedanke an den kurzen Fußweg schreckte sie deshalb nicht. Seit über zwei Jahren lief sie beinahe täglich diese Strecke, und nie hatte jemand sie auch nur dumm angequatscht.
Manchmal wünschte sie sich fast, dass das geschähe, denn dann könnte sie ihren gluckenhaften Eltern endlich zeigen, dass sie kein kleines Kind mehr war.
Sie bog um die Ecke und sah einen kleinen LKW von dem Unternehmen, mit dessen Hilfe sie aus der Wohnung ihrer Eltern in ihr jetziges Apartment umgezogen war.
Seltsame Zeit für einen Umzug, dachte sie, hörte aber lautes Rumsen und ein paar atemlose Flüche, als sie näher kam.
Sie sah einen Mann, der mit einem kleinen Sofa kämpfte, das sich einfach nicht auf die Ladefläche schieben ließ. Er war gut gebaut, und obwohl er ihr den Rücken zuwandte, sah er jung genug aus, dass er es letztendlich schaffen könnte.
Dann aber sah sie einen dicken weißen Gips an seinem rechten Arm.
Er schob mit der linken Hand und mit der rechten Schulter, das Gewicht der Winkel, in dem das Sofa stand, führte jedoch dazu, dass das Möbel krachend wieder auf die Straße fiel.
»Verdammt, verdammt, ver dammt.« Er zog ein weißes Taschentuch hervor und fuhr sich damit durchs Gesicht.
Jetzt sah sie ihn von vorn und fand ihn ziemlich hübsch. Unter seiner Baseballkappe fielen dunkle Locken - wie sie sie an Männern liebte - bis über den Kragen seines Hemds.
Trotzdem wollte sie einfach weitergehen. Auch wenn er durchaus attraktiv war, war es sicherlich nicht ratsam, wenn sie sich zu dieser vorgerückten Stunde draußen auf der Straße mit einem fremden Typen unterhielt. Aber er sah so erbärmlich aus - verschwitzt, frustriert und ein wenig hilflos mit seinem Verband.
Als hilfsbereites Wesen blieb sie stehen, die New Yorker
Vorsicht jedoch riet ihr, nicht zu nah an ihn heranzugehen. »Einzug oder Auszug?«, fragte sie.
Sie musste ein Lachen unterdrücken, denn er zuckte zusammen, und als er sich umdrehte und sie entdeckte, wurde sein Gesicht tatsächlich noch ein wenig röter als zuvor.
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