Das Herz des Mörders (17) - Imitation in Death (Death 17)
er weiterlas. »Sie hat etwas Besseres verdient.«
»Er hat sich auch an Peabody herangemacht.«
Jetzt hob er den Kopf, und ein dunkles Blitzen trat in seine Augen. »Ich mag ihn wirklich nicht. Hat er es bei dir etwa ebenfalls versucht?«
»Nein. Vor mir hatte er eine Heidenangst.«
»Dann scheint er zumindest nicht völlig hirnlos zu sein.«
»Er ist ein egozentrischer Lügner, der gerne mit naiven jungen Frauen in die Kiste steigt - die Rolle hat Peabody gespielt - und sich von starken Frauen unterhalten lässt, die er gleichzeitig betrügt. Er ist ziemlich gebildet und spielt geschickt den Mann von Welt. Liebt die schönen Dinge des Lebens einschließlich teuren Briefpapiers, ist theatralisch genug veranlagt, um gerne andere nachzuahmen, und hat die erforderliche Freiheit, um auf die
Jagd zu gehen. Was haben wir über seine Eltern, seinen familiären Hintergrund?«
»Steht alles bereits auf dem Wandbildschirm. Seine Mutter ist Schauspielerin. Meistens irgendwelche Charakterrollen. Ich habe sie sogar ein paar Mal auf der Bühne gesehen. Sie ist wirklich gut und noch immer bestens im Geschäft.«
»Leo stammte vom zweiten ihrer insgesamt fünf Männer. Sie scheint in mehr als einer Hinsicht bestens im Geschäft zu sein. Dann hat er also eine Reihe Stiefund Halbgeschwister. Der Vater ist freischaffender Produzent. Genau wie Leo selbst. Das sind doch Leute, die Projekte zusammenstellen, nicht?«
»Mmm. Auch über seine Kindheit kursieren alle möglichen Gerüchte.« Er überflog die aufgerufenen Artikel, bis er die Hauptstichworte fand. »Er muss sechs gewesen sein, als sich die Eltern scheiden ließen. Beide hatten bereits während der Ehe und auch anschließend immer wieder irgendwelche öffentlichen Affären. Außerdem hat seine Mutter behauptet, sein Vater hätte sie misshandelt. Andersherum hat er das aber ebenfalls gesagt. Wenn man die Artikel liest, kommt man zu dem Ergebnis, dass der Haushalt das reinste Kriegsgebiet gewesen ist.«
»Dann war seine Kindheit also von Gewalt, möglicherweise Vernachlässigung, und einer starken Frau, die im Rampenlicht gestanden hat, geprägt. Wahrscheinlich hatten sie auch Angestellte, wie Hausmädchen, Gärtner, eine Kinderfrau. Vielleicht findest du ja raus, wer sich um den kleinen Leo gekümmert hat, und rufst währenddessen schon mal Informationen über Renquist für mich auf.«
»Erst brauche ich noch einen Keks.«
Eine sarkastische Antwort auf den Lippen, drehte sie sich zu ihm um. Als sie ihn dann aber mit von der Dusche feucht glänzendem Haar und leuchtend blauen Augen hinter ihrem Schreibtisch sitzen sah, setzte ihr Herzschlag aus.
Es war einfach lächerlich, es war einfach vollkommen absurd. Sie wusste schließlich, wie er aussah, aber trotzdem brachte sie allein sein Anblick immer wieder aus dem Gleichgewicht.
Er schien ihren Blick zu spüren, denn er hob den Kopf und sah ihr ins Gesicht. Ein traumhaft attraktiver Mann mit einem Plätzchen in der Hand. »Ich finde, den habe ich verdient.«
Ihr Hirn war völlig leer. »Was?«
»Den Keks«, erklärte er, biss herzhaft hinein und sah sie fragend an. »Was ist?«
»Nichts.« Verlegen drehte sie sich wieder um und befahl ihrem Herzen, wieder normal zu schlagen. Denn es war an der Zeit, sich den nächsten Mann auf ihrer Liste anzusehen.
Niles Renquist, dachte sie. Ein arroganter, ekelhafter Snob. Aber das war nur ihre persönliche Meinung. Um sie zu untermauern oder zu widerlegen, sähe sie sich besser erst einmal die Fakten an.
Er war in London auf die Welt gekommen, und seine Mutter war mütterlicherseits die Cousine vierten Grades des britischen Königs und hatte durch den Vater - einen Yankee - tonnenweise Geld. Sein Vater war Lord Renquist, stramm konservatives Parlamentsmitglied. Eine jüngere Schwester, die mit ihrem zweiten Mann nach Australien ausgewandert war.
Renquist hatte die gesamte britische Elite-Erziehung hinter sich. Von der Stonebrigde-School nach Eton, von Eton an die Edinburgher Universität. War zwei Jahre bei der Königlichen Luftwaffe gewesen, ein verdienter Offizier, hatte im Rang des Hauptmanns seinen Dienst quittiert. Sprach fließend Italienisch und Französisch und war mit dreißig Jahren zum diplomatischen Korps gegangen.
Ebenfalls mit dreißig hatte er Pamela Elizabeth Dysert geehelicht. Sie hatte einen ähnlichen familiären Hintergrund. Wohlhabende Eltern, exzellente Schulen, darunter sechs Jahre in einem Schweizer Internat. Sie war ein Einzelkind und hatte jede
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