Das Herz des Ritters
zurück; ein Anblick, der ihn so schmerzhaft durchbohrte wie ein Lanzenstoß. Ohne ihn anzusehen, schüttelte sie den Kopf, dennoch konnte er erkennen, dass sie erneut in Tränen ausgebrochen war.
»Oh, ja, ich vergaß«, meinte er barsch, weil sie ihm das Gefühl gab, sich grausam zu verhalten. »Ich darf dich ja nur im Dunkeln sehen und lieben. Nun, das reicht mir nicht, Zahirah. Ich will mehr als das.« Eindringlich blickte er sie an. »Wenn unsere Beziehung nicht augenblicklich enden soll, werden wir von nun an das Tageslicht und die Dunkelheit miteinander teilen, Mylady. Kein Versteckspiel mehr. Keine Geheimnisse. Und jetzt leg deine Kleider ab.«
Eine aufreibend lange Zeit stand sie reglos da. Stumm. Unbeweglich. Selbst ihre Tränen flossen nicht mehr. Dann, während Sebastians Herz heftig gegen seine Brust schlug, hob sie langsam die Hände und löste die Bänder ihrer Tunika.
Es fiel ihm schwer mit anzusehen, wie sie seinem Befehl gehorchte; schwer, sich einzugestehen, dass er sie zu dieser unsäglichen, verfluchten Gehorsamkeit gezwungen hatte, doch er bemühte sich, in seinem Entschluss nicht zu wanken, ihren Wünschen nicht nachzugeben. Nicht dieses Mal.
Es war ihm beinahe unmöglich, ihren resignierten und dennoch herausfordernden Blick zu ertragen, als sie den Saum ihrer Tunika hob und sie sich über den Kopf zog, sich vor ihm entblößte, wie er es befohlen hatte. Sie streckte den Arm aus und ließ das lange seidene Hemd langsam von ihren Fingern zu Boden gleiten. Danach nestelte sie am Bund ihrer Hose, schob sie über die Hüften, sodass der Stoff in einer meerblauen Pfütze ihre Füße umgab.
Sebastian atmete scharf aus, als er den nackten Körper seiner Geliebten zum wahrhaft ersten Mal in seiner ganzen Pracht bewundern konnte. »Herr im Himmel«, stieß er gepresst hervor, während er sie mit ungläubigem Staunen anstarrte.
Unter ihrer Kleidung, unterhalb der Brust bis zum flaumigen Dreieck ihres Schoßes, verblasste die honigbraune Farbe ihrer Haut allmählich und war so weiß wie eine kostbare Perle.
So weiß wie der Teint einer vornehmen Edeldame am Hofe des Königs.
Nun weiß er es,
dachte Zahirah. Ihr war ganz elend zumute, weil er sie so entsetzt ansah, als sei sie tatsächlich die Missgeburt, für die sie sich selbst hielt. Nun kannte er ihre Abartigkeit, dieses Ungeheuer, das an ihrem Herzen, ihrer Seele fraß. Die Abartigkeit, die sie von ihren Landsleuten und den Mitgliedern ihres Clans unterschied. Das Geheimnis, das sie bis zu diesem Moment allein mit Allah geteilt hatte.
»Zahirah«, sagte Sebastian. »Was hat das zu bedeuten?«
Beschämt senkte sie den Kopf. »Das habe ich Gott schon mein ganzes Leben lang gefragt.«
»Das hat gewiss etwas mit deinen Albträumen zu tun. Vielleicht erklärt es deine Verbindung zu dieser Gillianne.«
»Nein«, sagte sie, in dem verzweifelten Bemühen, seine Vermutung zu widerlegen. »Nein, es kann nichts damit zu tun haben. Meine Träume sind bloß Träume. Sie erklären nichts. Sie sind nicht real.«
»Die Furcht, die sie dir verursachen, ist real genug. Ich denke, sie könnten vieles erklären, wenn du sie nur deuten würdest.«
Sie dachte an die Angst und Gewalt in ihren nächtlichen Schrecken, die grässlichen Schreie, das Gefühl der Hilflosigkeit und des Verlustes. Wenn darin tatsächlich eine Erklärung verborgen lag, wollte sie diese nicht erfahren. Sie glaubte nicht, dass sie eine derart Angst einflößende Wahrheit ertragen konnte.
»Was ist mit deiner Mutter?«, fragte Sebastian und riss sie mit seiner Stimme aus ihren düsteren Überlegungen.
»Ich habe meine Mutter nie kennengelernt«, antwortete sie. »Sie starb, als ich noch ein Säugling war.«
»War sie Engländerin? Könnte sie nicht Gillianne gewesen sein?«
Zahirah schüttelte heftig den Kopf. »Nein.«
»Warum nicht?«
»Du kennst meinen Vater nicht. Er ist …« Abrupt brach sie ab, als sie sich bewusst wurde, dass sie nahe daran war, einen gefährlichen Pfad einzuschlagen, auf dem es keine Wiederkehr gab. »Mein Vater ist ein sehr frommer Mann. Er würde sein Bett niemals mit einer ungläubigen Engländerin teilen.«
»Wie erklärst du dir denn dann dein Aussehen, Mylady?« Er hielt inne, musterte aufmerksam ihr Gesicht, als ob er nach einfühlsameren Worten suchte, die er aber nicht fand. »Zahirah, es ist doch ganz offensichtlich. Deine silbergrauen Augen, deine helle Haut. Du bist keine Sarazenin, Mylady.«
»Doch, das bin ich«, entgegnete sie. Ihre
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