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Das Herz des Ritters

Das Herz des Ritters

Titel: Das Herz des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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vor deren schützenden Mauern erledigen musste, verzehrte sie sich vor Sehnsucht nach ihm.
    An diesem Morgen beaufsichtigte er die Reparaturarbeiten an den Stadtmauern. Bis zur Mittagsstunde hielt sie es allein aus, dann konnte sie das Verlangen nach seiner Gesellschaft nicht länger bezwingen. Die Wände ihrer Kammer schienen sie zu erdrücken, und sie wollte nur noch hinaus. Also beschloss sie, Sebastian mit einem Picknick und dem Vorschlag, einen Spaziergang durch Askalons Gärten zu machen, zu überraschen. Mit einem Imbiss, einer Decke und einem
Schatrandsch
-Spiel in ihrem Korb verließ sie den Palast. Die Wachen kannten sie inzwischen als die Frau ihres Hauptmanns und ließen sie ungehindert passieren.
    Hinter den bewachten Toren wimmelten die Straßen und Märkte vor Geschäftigkeit. Geschäftstüchtige Muslime und Christen feilschten mit lamentierenden Händlern um ihre Waren; Söldner und Bauern schlenderten durch die Gassen und lungerten, sich argwöhnisch beobachtend, auf dem Hauptplatz herum, auf dem eine Gruppe schmutziger, lachender Kinder und zwei kläffende Hunde Fangen spielten und nichts wahrnahmen außer ihrem Spiel. Zahirah sah einen muslimischen Priester zur Moschee eilen; sein edles weißes Gewand blitzte glatt und sauber zwischen all dem Schmutz und Staub der Stadt, und mit Verwunderung wurde ihr jäh bewusst, dass es Freitag war, Feiertag also. Wie konnte sie das nur vergessen! Einige verschleierte Frauen standen dicht gedrängt in der Nähe des Brunnens am Ende der Hauptstraße und flüsterten miteinander, während sie darauf warteten, dass der Muezzin sie zum Juma-Gebet rief. Zahirah ging mit gesenktem Blick an ihnen vorüber und redete sich ein, dass sie sich nicht schämen müsse, weil sie an diesem Feiertag unverschleiert und geschäftig statt in die Moschee zu ihrem christlichen Geliebten eilte, um mit ihm zu speisen.
    Einen Augenblick später erspähte sie ihn am anderen Ende der Straße, an einer Stelle, wo die Steine der aufragenden Stadtmauer immer noch feucht vom frischen Mörtel waren. Er stand breitbeinig auf einem Gerüst, balancierte so mühelos auf dem hohen Gestell wie eine Raubkatze auf einem Baum und unterhielt sich mit einem Maurer. Die Tunika hatte er sich zum Schutz vor der Hitze wie eine
Kufiya
um den Kopf gewickelt. Ein Zipfel des Hemdes fiel ihm in den Nacken über die breiten gebräunten Schultern und flatterte in der leichten Brise. Er rief jemandem am Boden einen Befehl zu, dann sah er auf und entdeckte sie. Zahirah spürte, wie sie sein erfreuter Blick aus der Ferne liebkoste, und ihr Herz setzte einen Schlag lang aus.
    Über das ganze Gesicht strahlend, winkte sie ihm zu. Er sagte etwas zu dem Maurer, dann klopfte er ihm auf die Schulter und begann, die Leiter hinabzusteigen. Zahirah versuchte noch nicht einmal, ihr frohes Lachen zu unterdrücken, als sie voll Vorfreude sah, wie er mehrere Sprossen über dem Boden von der Leiter sprang und in dem Meer von Menschen verschwand, das sie und ihn noch voneinander trennte. Sie schickte sich an, ihm entgegenzueilen, als ihr plötzlich jemand den Weg vertrat.
    »Oh!«, rief sie, blieb jäh stehen und konnte gerade noch einen Zusammenstoß mit einem hageren alten Bettler vermeiden. »Bitte verzeiht. Ich habe Euch nicht bemerkt …«
    Der Graubart hob den Kopf unter der Kapuze und Zahirah blickte in ein Paar stechender, kalter schwarzer Augen. Unbarmherzig und wissend musterten sie diese Augen; eine tiefe, ja fast an Verachtung grenzende Missbilligung lag in ihrem Blick. Zahirah spürte, wie ihr das Blut aus dem Gesicht wich. Schwer wie hundert Steine spürte sie das Gewicht des Picknickkorbes an ihrem Arm.
    »Vater«, stieß sie hervor. Fast hätte sie den König der Assassinen in seinen zerrissenen Lumpen nicht erkannt, so unerwartet war es, dem zurückgezogen lebenden Clanführer in der Öffentlichkeit zu begegnen. »Was macht Ihr hier?«
    »Ich bin gekommen, um dir dieselbe Frage zu stellen, Tochter.« Sinan zog das letzte Wort abfällig in die Länge. Seine leise Stimme klang unendlich viel schmerzlicher in ihren Ohren, als das lauteste Brüllen es vermocht hätte. »Man berichtet mir nur Enttäuschendes von dir, Zahirah. Erfolglose Überfälle und Verzögerungen, mehr als zwanzig meiner besten Männer sind tot … Dein Versagen beunruhigt mich zutiefst. Und jetzt muss ich obendrein auch noch vernehmen, dass der englische König sich ganz in deiner Nähe im Palast aufhält, und das schon seit mehr als einer Woche.

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