Das Herz des Ritters
wünschte sich verzweifelt, dass ihre Sinne ihr einen grausamen Streich spielten und das hassverzerrte Gesicht nur ein entsetzliches Trugbild war, das nach einem Blinzeln wieder verschwinden würde. Doch Allah erhörte ihre Gebete nicht. Sebastian stand wahrhaft vor ihr, so unauslöschlich wie der Groll, der in seinen Augen loderte, so wirklich wie der Wutschrei, der ihm entfuhr, als er auf sie zuging. Furchterfüllt und am ganzen Körper zitternd, sank sie vor ihm auf die Knie.
Unflätig fluchend riss er sich den Kaftan vom Leib, wobei auch sein Surcot zu Boden fiel. Im Kettenhemd stand er drohend vor ihr, ein gestählter Krieger, erfüllt von eiserner, kalter Entschlossenheit. »Du hattest es die ganze Zeit über geplant«, beschuldigte er sie mit gefährlich ruhiger Stimme. »Seit unserer ersten Begegnung auf dem Markt, all die Wochen danach, Zahirah, hast du mich zum Narren gehalten.«
»Nein«, stritt sie hastig ab. Nie hatte sie ihn zum Narren halten, ihn nie derart verletzen wollen. »Sebastian, nein. So war es nicht. Nicht die ganze Zeit …«
»Ach nein?« Schäumend vor Wut machte er noch einen Schritt nach vorn und trampelte dabei mit den Stiefeln auf die zerfetzte Seide. »Selbst jetzt noch tust du es. Dein Leugnen ist beleidigend. Und ein weiterer Verrat.«
»Sebastian, bitte. Du musst mir glauben. Ich wollte dich nie hintergehen.« Ein ersticktes Schluchzen entrang sich ihr. »Ich liebe dich.«
Er gab einen höhnischen Laut von sich, der sich in sie fraß wie ätzende Säure. »Schluss damit! Ich will deine Lügen nicht länger hören. Du hast mir dein wahres Gesicht längst gezeigt, Mylady.«
Zahirah wich zurück, der Blick in seinen Augen erfüllte sie mit Angst. Zu spät bemerkte sie, dass sie den Dolch immer noch in der Hand hielt. Die Drohung ihres Vaters hallte in ihrem Kopf wider, sein Schwur, Sebastian zu töten, wenn sie ihre Mission nicht erfüllte. »Der König«, murmelte sie wie betäubt. »Sebastian, du musst mich zu ihm bringen. Du musst mir sagen, wo er sich aufhält – dein Leben hängt davon ab!«
Er lachte auf. Ein schreckliches Lachen, verbittert und verächtlich. »Der König ist in Sicherheit, an einem Ort, an den du niemals gelangen wirst.«
Zahirah schüttelte den Kopf. »Ich muss ihn finden! Sebastian, du verstehst nicht. Ich muss es tun. Er muss sterben, sonst …«
»Sonst?«, zischte er. »Sonst was? Willst du mich töten, um zu ihm zu gelangen? Bitte sehr. Ich mache es dir leicht.« Er riss an seinem Kettenhemd und entblößte seine Kehle. Ein leichtes, nicht zu verfehlendes Ziel. Entsetzt starrte sie ihn an. »Nein?«, fragte er höhnisch. »Willst du nicht endlich beenden, was du vor all jenen Wochen im Lager begonnen hast? Das warst doch du, nicht wahr? Dieser Welpe, der mich beinahe aufgeschlitzt hätte, als ich ihm bei dem Angriff auf den König in die Quere kam. Das warst du!«
»Mir blieb keine andere Wahl, Sebastian. Es ist meine Pflicht. Ich musste schwören, sie zu erfüllen. Ich bin nicht anders als du. Du hast geschworen, in diesem Krieg für deinen König zu kämpfen. Ich habe den gleichen Schwur geleistet, meinem Volk gegenüber und meinem Gott.«
»Nein«, erwiderte er schroff. »Wir sind uns überhaupt nicht gleich, Zahirah. Wenn ich kämpfe, dann offen und ehrenhaft. Ich kämpfe Auge in Auge gegen meine Feinde, Mann gegen Mann. Du und deine Leute hingegen, Ihr schleicht Euch im Schutz der Nacht an, um eurem Feind einen Dolch in den Rücken zu bohren. Wage es nicht, uns miteinander zu vergleichen; wir sind nicht gleich. In keinerlei Hinsicht.« Er presste die Lippen aufeinander, und seine Gesichtshaut spannte sich über den Knochen. »Du und ich, wir waren uns niemals gleich.«
»Sebastian, bitte, hör mich an. Lass mich dir doch alles erklären.«
»Ich denke, deine Anwesenheit hier erklärt mehr als genug.«
»Es ist nicht so, wie es aussieht …«
»Hah! Treib es nicht auf die Spitze, Zahirah. Erspar mir weitere Verdrehungen der Wahrheit. Ich bin es endgültig leid.«
»Nein«, rief sie. »Du musst die ganze Wahrheit erfahren. Ja, ich war in jener Nacht im Lager des Königs. Und es stimmt, ich habe auf dich eingestochen, und wenn du mich nicht aufgehalten hättest, dann hätte ich deinen König ermordet. Damals habe ich dich noch nicht gekannt, Sebastian. Ich wusste nur, dass ich meine Mission um jeden Preis erfüllen musste. Ich hatte es meinem Clan schwören müssen … meinem Vater, dem Anführer dieses Clans.«
Kalt blickte
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