Das Herz des Ritters
schweren, schnellen Schritte von Soldaten. Ihm war gar nicht bewusst, dass er stehengeblieben war, bis er eine Hand auf seiner Schulter spürte.
»Seid Ihr wohlauf, Sir?«, fragte einer der Kreuzfahrer.
Sebastian nickte und drehte sich zu seinen Männern um, bemüht, sich die Anstrengung, die ihm diese kleine Bewegung verursachte, nicht anmerken zu lassen. »Ich bin außer … Atem.« Ungehalten, weil ihm der Assassine entkommen war, stieß er die stützende Hand, die ihm einer der Ritter geboten hatte, zur Seite. »Der Bastard hat mir einen Hieb versetzt, und mir ist die Luft weggeblieben. Lasst mich; mir geht es gleich wieder gut.«
Ein paar Waffenknechte starrten ihn mit aufgerissenen Augen und über die Maßen bestürzt an.
»Allmächtiger«, stieß ein junger Soldat hervor.
Sebastian schaute an sich hinunter, auf die Stelle, auf die sie ihre Blicke wie gebannt gerichtet hatten, und nahm den Ursprung ihrer Sorge mit einem grimmigen Lachen zur Kenntnis. Aus einer Wunde über seiner Hüfte sickerte Blut, durchtränkte den Stoff seiner Tunika und breitete sich in einem großen Fleck bis hinab zu seinen Beinlingen aus. Der kleine Hurensohn hatte ihm einen Dolchstoß versetzt – und das äußerst erfolgreich, wie es aussah.
Kein Wunder, dass ihn die Männer angafften wie einen Geist; in wenigen Stunden würde er vermutlich einer sein.
1
Drei Wochen später
»Weißt du, mein Freund, hättest du gleich gesagt, dass du fest entschlossen bist, dich auf die eine oder andere Weise umzubringen, hätte das dem König und uns allen jede Menge Mühen und Sorgen erspart.« James Logan schlenderte, noch im Kettenhemd, nach den morgendlichen Waffenübungen zu Sebastian hinüber, der auf einer Holzleiter stand und einen großen Stein auf die halb fertige Stadtmauer wuchtete. Die mittägliche Wüstensonne brannte erbarmungslos auf seinen entblößten Oberkörper herab. »Eintausend fähige Männer wurden mit dem Wiederaufbau von Askalons Verteidigungsmauern beauftragt, und dennoch bist auch du hier, die rechte Hand des Königs, und arbeitest so hart wie alle anderen. Und das, obwohl du noch vor wenigen Tagen halb tot warst. Offenbar hast du durch deine Verwundung nicht nur Blut, sondern auch deinen Verstand verloren.«
Leise fluchend drehte sich Sebastian zu Logan um, allerdings so abrupt, dass er ein unangenehmes Ziehen in der noch nicht verheilten Wunde an seiner Seite spürte. »Ich bin nicht zum Sterben nach Palästina gekommen«, sagte er, verteilte mit seiner Kelle Mörtel auf der Mauer und griff nach einem weiteren Stein. »Ich bin auch nicht hier, um müßig im Palast des Sultans zu sitzen und den Wiederaufbau einer Stadt zu beaufsichtigen, die Saladin vermutlich dem Erdboden gleichmacht, ehe wir den letzten Mauerstein gesetzt haben.«
Lachend lehnte sich Logan an die Steinmauer neben der Leiter und blickte Sebastian unter hochgezogenen kastanienbraunen Brauen an. »Der König hätte wissen müssen, dass der Schwarze Löwe von England gereizt darauf reagieren würde, wenn man ihn in einem Käfig gefangen hält – selbst wenn dieser Käfig mit goldenen Gitterstäben versehen ist. Ob es dir nun gefällt oder nicht, mein Freund, aber er hat dir nun einmal vor seinem Aufbruch nach Darum die Aufsicht über diese Stadt befohlen.«
»Es gefällt mir nicht«, gab Sebastian knurrend zu. »Ich bin zum Kämpfen hergekommen. Im Moment mag ich dazu nicht in der Lage sein, das gebe ich zu, aber ich will mich wenigstens nützlich machen. Warum tust du es mir nicht gleich und reichst mir einen Eimer mit Mörtel, wenn du schon hier herumstehst?« Er schaufelte den letzten Rest des dicken Lehmbreis heraus und ließ den leeren Eimer in Logans wartende Hände fallen. »Sobald der König von seinem Feldzug aus Darum zurückgekehrt ist, werde ich mich den Truppen wieder anschließen. Ich bin nun schon fast einen Monat hier in Askalon zur Untätigkeit verdammt, einige Tage mehr oder weniger werde ich gewiss noch ertragen können.«
»Dann hast du es also noch nicht gehört?« Sebastian schaute ihn fragend an, worauf Logan tief aufseufzte. »Richard hat seine Pläne geändert. Er will vor seiner Rückkehr Saladins Festung im Tal der Brunnen erobern. Ich habe selbst erst heute Morgen davon erfahren. Anscheinend hat der König die Kunde durch ein Vorratsschiff überbringen lassen, dem er vor einigen Tagen an der Küste begegnet ist, wie mir einer der Männer erzählte.«
Sebastian fluchte ungehalten. »Ist er denn verrückt
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