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Das Herz des Ritters

Das Herz des Ritters

Titel: Das Herz des Ritters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Adrian schreibt als Tina St. John
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erwartet hätte. Ein Mann mit weniger Anstand und Erziehung hätte womöglich dem schier überwältigenden Drang nachgegeben und die Tür aufgestoßen. Er aber war wie angewachsen im Flur stehengeblieben und hatte seine gute Kinderstube verflucht, während er versuchte, seine Stimme wiederzufinden, die ihm bei der Vorstellung, dass Zahirah nur spärlich bekleidet war, plötzlich abhandengekommen war.
    Er begehrte sie, das konnte er nicht bestreiten. Er begehrte sie seit dem Augenblick ihrer ersten Begegnung auf dem Markt und nun, da sie im Palast weilte, auf unbestimmte Zeit seiner Obhut unterstellt, konnte er kaum an etwas anderes denken als an sie. Ihren kühlen Worten zufolge beruhte diese Anziehung jedoch nicht auf Gegenseitigkeit. Diese Tatsache hätte ihn befreien sollen. Immerhin hatte er von Anfang an gewusst, dass ihm die Ablenkung, die ihre Anwesenheit bedeutete, höchst ungelegen kam.
    So war es ihm nicht ganz unrecht, dass er Askalon verlassen musste, wenn auch nur für höchstens eine Woche. Der Hafenmeister hatte berichtet, dass des Königs Verbündete in Tyros eine Lieferung mit Vorräten und Waffen auf den Weg gebracht hätten. In wenigen Tagen sollte sie eintreffen und dann mit einer Karawane ins Landesinnere zu Richards Truppen gebracht werden, die händeringend auf Nachschub warteten. Er, Logan und einige der Garnisonssoldaten würden die Karawane als Eskorte begleiten. Die Mission war keineswegs gefährlich und bedurfte gewiss nicht seiner persönlichen Aufsicht, doch er hoffte, dass die Reise ihm helfen würde, endlich wieder einen klaren Kopf zu bekommen.
    Der Himmel wusste, wie sehr er das hoffte.
    Und falls Richard mir befiehlt, mit ihm in die Schlacht zu ziehen, umso besser,
dachte Sebastian, betrat sein Offiziersgemach und setzte sich an den großen Schreibtisch aus Eichenholz. Einer der christlichen Führer der Kreuzfahrerstaaten hatte ihn hierhergebracht, ein Adliger, der zweifellos auf der Suche nach Gold und Ruhm gekommen und längst wieder nach Hause zurückgekehrt war. Das wuchtige Möbelstück mit dem ebenso massiven Stuhl wirkte – ebenso wie die Kreuzfahrer selbst – höchst fehl am Platz in der mit Kissen geschmückten Eleganz des arabischen Palastes.
    Sie gehörten nicht an diesen sandigen, sonnigen, entbehrungsreichen Ort. Diese Tatsache wurde ihm jeden Tag aufs Neue in Erinnerung gebracht – angefangen bei der sengenden Hitze eines jeden neuen Tages bis zu dem Lärm der Truppen und den weinenden Frauen und Kindern, die sie nach ihrem Durchmarsch zurückließen. Auch die heilende Wunde über seiner Hüfte erinnerte ihn stets daran, ebenso wie die kühlen grauen Augen einer gewissen Frau – einem herablassenden Geschöpf, dessen Hass auf die Kreuzfahrer weitaus tiefer gründete, als sie wohl jemals enthüllen würde.
    Doch dass er hier fehl am Platz war, führte nicht dazu, dass er sich, wie so viele andere, nach seinem alten Leben sehnte. Er war als Suchender nach Palästina gekommen. Er suchte das Abenteuer. Dieser Auffassung war er zumindest bei seinem Aufbruch in England gewesen, als er seinen Titel und Besitz als Earl in die Obhut seines Bruders Griffin gegeben hatte. Nun denn, Abenteuer hatte er reichlich gefunden – genug für zwei Leben –, doch sein Hunger war immer noch nicht gestillt, und vermutlich würde er rastlos immer weiter durch die Welt ziehen, bis er endlich fand, wonach auch immer er suchte.
    Sein Blick schweifte über die Karten und Papiere auf dem Schreibtisch zu dem Brief, den er kürzlich aus Montborne, dem Schloss seiner Familie, erhalten hatte. Mindestens ein Dutzend Mal hatte er die Zeilen in den vergangenen zwei Monaten gelesen, so oft, dass er fast jedes Wort auswendig kannte. Dennoch nahm er jetzt wieder das Blatt in die Hand und las die aufregenden Neuigkeiten aus der Heimat noch einmal.
    Er war wieder Onkel geworden, verkündete die kühne Handschrift seines Bruders gleich zu Anfang. Es gab keine einleitenden Worte, keinen Zeit vergeudenden Gruß, denn Griffin war kein Mann großer Worte. Isabel, Griffs Gemahlin, hatte ihrem dritten Kind das Leben geschenkt – dieses Mal einem Sohn, ein glucksender, gesunder kleiner Bruder für die Zwillingsmädchen, die einige Monate nach Sebastians Abreise das Licht der Welt erblickt hatten.
    Griffins überschäumende Freude darüber war in den hastigen, oft krakeligen Strichen seiner Feder zu erkennen. Als Söldner in einer Burg weit entfernt von Montborne aufgewachsen, hatte sein Bruder erst vor

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