Das Herz des Ritters
Stimme, während sie gleichzeitig eine Ecke des dicken persischen Teppichs hochhob und die verkohlten Papyrusreste mit dem Fuß darunterschob.
Zwar war das Fenster weit geöffnet, dennoch roch es im Zimmer nach Rauch und verbranntem Papyrus. Wenn sie Sebastian Einlass gewährte, würde er den Geruch sicherlich wahrnehmen und sich fragen, was sie getan und ob sie etwas zu verbergen hatte. Vielleicht bestand er sogar darauf, das Zimmer zu durchsuchen – oder sie. Dieses Risiko konnte sie nicht eingehen.
»Ja, Mylord?«, fragte sie durch die geschlossene Tür. »Ich dachte, Ihr weilt im Hafen.«
»Dort war ich auch«, antwortete er. »Aber die Angelegenheiten sind nun erledigt.« Nach einer kurzen Pause fuhr er fort. »Öffnet Ihr mir nun die Tür, Mylady, oder müssen wir uns durch sie hindurch unterhalten?«
Trotz des ironischen Tons, der in seiner Stimme schwang, biss sich Zahirah besorgt auf die Unterlippe, denn sie fürchtete, dass seine Frage leicht zu einem Befehl werden konnte. »Ich kann Euch die Tür nicht öffnen, Mylord. Ich … ich bin nicht für Besuch gekleidet.«
Wieder breitete sich Schweigen aus, dieses Mal zog es sich unangenehm in die Länge. Zweifelte er an der Wahrheit ihrer Behauptung? Schlimmer noch – würde ein barbarischer Kreuzritter überhaupt Rücksicht auf Sitte und Anstand nehmen, wenn er entschlossen war, seinen Willen durchzusetzen?
»Ich wollte ein Bad nehmen, Mylord«, fuhr sie hastig fort. »Und anschließend den Abend im Gebet verbringen.«
»Ah«, antwortete er, offensichtlich beschwichtigt. »Und ich dachte, ich könnte Euch vielleicht dazu überreden, mich ein wenig von der Würde zurückgewinnen zu lassen, die Ihr mir heute Morgen beim
Schatrandsch
genommen habt.«
Er wartete auf ihre Antwort, wartete womöglich auf ein Zeichen, das ihm verriet, ob sie lächelte oder nicht. Sie lächelte in der Tat, bis sie sich in Gedanken harsch dafür tadelte, doch sie wagte nicht, ihm zu antworten. Schweigend stand sie da, traute sich kaum zu atmen und wünschte, er würde gehen.
»Nun«, sagte er nach einer langen Weile. »Ein anderes Mal vielleicht.«
»Vielleicht«, wiederholte sie leise.
Zahirah wartete schweigend, lauschte angestrengt und stieß, als sie seine zögernden Schritte vernahm, erleichtert den angehaltenen Atem aus. Sie hatte die Katastrophe gerade noch verhindern können, doch sicher warteten noch weitere auf sie in diesem gefährlichen Spiel, das sie spielte. Sebastian war kein Mann, der sich leicht an der Nase herumführen ließ. Er war ein ernst zu nehmender Gegner, und das Schlimmste, was ihr zustoßen konnte, war, sich für ihn zu erwärmen, sich Gefühle zu erlauben, die tiefer gingen als Argwohn und Respekt für einen gefährlichen Widersacher.
In diesem Licht betrachtet, hätte Halims Nachricht zu keinem besseren Zeitpunkt eintreffen können. Falls ihre Aufmerksamkeit von ihrem Ziel leicht abgelenkt gewesen war, so hatte diese Erinnerung an ihre Verpflichtung gegenüber ihrem Clan sie nun wieder fest in den Mittelpunkt gerückt. Sie hatte eine Mission zu vollbringen, und sie war fest entschlossen, ihr Ziel nicht mehr aus den Augen zu verlieren.
Die Furcht vor Entdeckung verflog, und Zahirah holte die angekohlten Papyrusreste unter dem Teppich hervor. Mit kühler Beherrschung hielt sie die Nachricht wieder in die Flamme der Öllampe und sah gelassen zu, wie der Beweis ihres Frevels zu Asche verbrannte.
Leicht verwirrt wandte sich Sebastian von der Tür ab. Nicht etwa die Tatsache, dass Zahirah ihn zurückgewiesen hatte, verwirrte ihn, sondern seine Reaktion darauf. Ein Anflug von Überraschung, ja sogar leichter Verdruss keimte in ihm auf, als er mit finsterem Blick den Korridor hinunter zu dem Gemach ging, das er zu seinem Arbeitszimmer bestimmt hatte.
Er gestand sich ein, dass er es wider besseres Wissen nicht hatte erwarten können, Zahirah wiederzusehen. Seit man ihn vor vier Stunden fortgerufen hatte, war sie ihm nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er die Gesellschaft einer Frau je so genossen hatte wie die ihre. Dieses Vergnügen hatte die Begierde nach mehr geweckt. Mehr von Zahirahs Zeit, mehr von ihrer Gesellschaft, schlicht mehr von ihr.
Ihr zögerndes Eingeständnis, dass sie gewissermaßen unbekleidet auf der anderen Seite der Tür stand, hatte wenig dazu beigetragen, seine Sehnsucht nach einem Wiedersehen zu stillen. Mühelos konnte er sich vorstellen, welcher Anblick ihn beim Öffnen der Tür
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