Das Herz des Ritters
»Ich kenne dich gut, mein Freund, und in den vielen Monaten, die ich schon an deiner Seite kämpfe, hat dich wohl nichts so sehr beschäftigt wie diese Frau.«
So gern Sebastian es geleugnet hätte, Logan hatte recht. Zahirah berührte ihn in einer Weise wie keine andere Frau zuvor. Sie faszinierte ihn. Ihm war gar nicht bewusst gewesen, wie sehr ihn seine Affären langweilten, bis Zahirah so unerwartet in sein Leben getreten war. Sie war kein umhegtes, verhätscheltes Weib, das ihn anhimmelte und jedem seiner Worte Bewunderung zollte. Zahirah schien eher dazu geneigt, mit ihm zu hadern, als ihn zu hofieren.
Aufreibend und unnahbar stellte sie immer wieder aufs Neue eine Herausforderung für ihn dar. Sie war provozierend und eigensinnig und die bezauberndste Frau, der er je begegnet war. Sie war so ganz anders als die geistlosen Hofschönheiten, die ihm in England nachgelaufen waren. Zu anders, würden die meisten sicherlich behaupten. Und trotz seiner Bewunderung für sie riet ihm doch eine innere Stimme, auf der Hut zu sein.
»Sie verbirgt etwas«, sagte er, seine Sorge in Worte fassend, und gönnte sich mit Logan eine Pause auf dem Dock. »Wenn ich ihr in die Augen sehe, werde ich das Gefühl nicht los, dass sie mich belügt – dass sie mir außer der Wahrheit über die Geschehnisse in der Moschee noch mehr verschweigt. Ich habe am Tag nach dem Mord mit ihr gesprochen und dachte, ich könnte zu ihr durchdringen, aber sie lässt es nicht zu. Gewiss bin ich es in der falschen Weise angegangen, aber Unehrlichkeit kann ich nicht dulden, und ich werde sie wohl des Palastes verweisen müssen, wenn sie sich nicht endlich zur Aufrichtigkeit entschließt.« Er schüttelte den Kopf und blickte auf eine kleine Staubwolke, die zu seinen Stiefeln aufgewirbelt war. »Ich dachte, wenn ich ihr Zeit zum Nachdenken gebe, kommt sie vielleicht aus freien Stücken zu mir. Doch es ist nun bereits zwei Tage her, und sie geht mir immer noch aus dem Weg.«
»Heilige Muttergottes«, stöhnte Logan auf. »Du liebst diese Sarazenin.«
»Lieben?«, höhnte Sebastian. »Du bist mir ein rechter Scherzbold.«
Zahirah hatte sein Interesse geweckt, das gewiss, aber seine Liebe? Teufel auch, was wusste er schon über die Liebe?! Die war Minnesängern und Dichtern vorbehalten und nichts für einen Mann wie ihn, der, als Earl geboren, sein Land zu führen hatte. Einen Mann, der zu oft gesehen hatte, wie wankelmütige Herzen einen Menschen, seine Zukunft, sein Glück zerstört hatten. Liebe war etwas für seinen Bruder Griffin und seine Gemahlin Isabel oder Logan und seine hübsche, geliebte Braut Mary aus den schottischen Highlands. Aber nichts für ihn. Und ganz gewiss wollte er seine Liebe nicht einer Frau schenken, die behauptete, sein ganzes Volk zu hassen. Einer Frau, die womöglich Geheimnisse hütete, die sein Leben – oder das des Königs – in Gefahr bringen konnten.
Logan grinste. »Ich höre nicht, wie du den Gedanken voller Entrüstung weit von dir weist, mein Freund.«
»Ich liebe sie nicht«, erwiderte Sebastian fest, doch es fiel ihm schwer, Logans selbstzufriedenem, wissendem Blick zu begegnen. »Ich traue ihr nicht.«
»Aber du begehrst sie.«
Himmel, ja.
»Ich denke, die Begierde nach ihr wird mich noch in den Wahnsinn treiben.«
Logan lachte, doch seine Miene war ernst. »Willst du wissen, was ich denke?«
»Vermutlich nicht.«
»Ich denke, du solltest heute Abend hierbleiben und nicht mit uns nach Darum reiten. Es gibt keinen Grund, warum du die Karawane begleiten solltest, aber genügend Gründe, die für dein Bleiben sprechen. Die Männer und ich kommen gewiss auch ohne dich zurecht. Bleib hier bei deiner Lady …«
Sebastian schüttelte den Kopf. »Das kommt überhaupt nicht infrage. Ich bin der Hauptmann der Garnison; ich trage die Verantwortung für diese Mission und werde sie verdammt noch mal auch befehligen.«
Er sagte das so nachdrücklich, dass der Schotte nicht weiter in ihn drang, doch es steckte mehr hinter Sebastians Nachdrücklichkeit als lediglich sein Pflichtgefühl. Mehr als der Drang eines Ritters, endlich wieder in den Sattel zu steigen und in die Schlacht zu ziehen. Sebastian verspürte ein beinahe verzweifeltes Bedürfnis, die Karawane zu begleiten. Die Vorstellung, im Palast zu bleiben, um sich mit Zahirah auszusöhnen, war verlockend, aber er konnte sich nicht erlauben, sie auch nur einen Moment in Betracht zu ziehen. Er hatte zwei Tage Zeit zum Nachdenken gehabt. Zwei Tage, in denen
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