Das Herz des Ritters
wovon Ihr redet«, sagte sie und verfluchte sich stumm, weil ihre Stimme kaum lauter war als ein Flüstern. »Dieser Name sagt mir nichts.«
»Noch ein Geheimnis, Zahirah?« Mit zweifelndem Blick musterte er sie. »Ihr habt Euch weinend vor Furcht an mich geklammert, wart in Todesangst wegen dieses Namens – dieser Frau, Gillianne – wollt Ihr mir nun wirklich weismachen, dass all dies nichts zu bedeuten hat?«
»Es hat nichts zu bedeuten«, antwortete sie bestimmt und wandte sich zum Gehen, damit er keine Gelegenheit mehr hatte, ihr näherzukommen und hinter die Mauer des Schweigens zu blicken, die ihr bisher immer Schutz geboten hatte.
»Es ist ein englischer Name«, sagte er, noch ehe sie den ersten Schritt machen konnte.
Zahirah erstarrte.
Englisch? Nein. Das konnte nicht sein. Schon immer war ihr der Name seltsam erschienen – ganz gewiss ein ausländischer Name – aber der Gedanke, dass es ein englischer Name war? Ein christlicher gar …
Sie spürte Sebastians forschenden Blick im Rücken und wusste, er lauerte auf einen Riss in ihrer Fassade, ein Anzeichen dafür, dass er sie aus der Fassung gebracht hatte. Allein, sie war fest entschlossen, sich nichts anmerken zu lassen. Er kam ihrem Geheimnis zu nahe, stellte bohrende Fragen, obwohl er kein Recht dazu hatte. All ihre Willenskraft zusammennehmend, wandte Zahirah sich zu ihm um und stellte sich seinem prüfenden, nachdenklichen Blick.
»Es ist ein englischer Name, Zahirah. Mir scheint es seltsam, dass Ihr ausgerechnet diesen Namen in Euren Albträumen vernehmt. Euch nicht?«
Lange blickte sie ihn an, unterdrückte alle Gefühle, die an diesem merkwürdigen Namen hafteten wie Faulgeruch an Aas.
Gillianne.
Allein der Gedanke an dieses Wort schnürte ihr die Kehle zu. »Ich weiß alles, was ich darüber wissen muss«, antwortete sie schließlich. »Es ist ein englischer Name, wie Ihr schon sagtet. Ein garstiger, englischer Name, der mir verhasst ist. So, wie ich alles Englische hasse.«
Ihre Gift sprühende Verwünschung ließ ihn zurückzucken. »Selbst mich?«
Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, seinem unverwandten Blick standzuhalten. Und sie begriff auch nicht, woher die Entschlossenheit kam, mit der sie, in dem verzweifelten Versuch, sich selbst zu schützen, eine weitere schreckliche Lüge aussprach: »Ja, Sebastian. Euch besonders.«
15
Zwei Tage später traf die versprochene Ladung von König Richards Verbündeten aus Tyros ein. Sebastian ging mit Logan und einem Dutzend Männer hinunter zum Hafen, um die Wein- und Wasserfässer und Kisten voller Lebensmittel und Waffen auf Karren und Kamele zu laden. Die Karawane sollte die Vorräte zu König Richard und seinem erschöpften Heer nach Darum bringen.
Den gesamten Vormittag über arbeiteten sie nun schon schwitzend unter einer Sonne, deren unerbittliche Strahlen erst gegen Mittag durch eine dichte Wolkendecke gedämpft wurden, die aus Norden herangezogen war. Die frische Meeresbrise sorgte zusätzlich für Kühlung, dennoch wurden die Männer allmählich müde. Auch Sebastian war erschöpft, doch er plagte sich eisern weiter, gönnte sich keine Pause und hatte wenig Geduld für die schwächeren Männer übrig, die sich mehr Zeit ließen.
»Beeilt euch gefälligst ein wenig, ihr lahmen Hunde! Wenn ihr weiter in diesem Schneckentempo herumtrödelt, sind wir in einer Woche noch nicht fertig. Ihr könnt euch ausruhen, wenn die Arbeit erledigt ist.«
»Deine Laune lässt schon seit einigen Tagen zu wünschen übrig«, stellte Logan fest, als er auf dem Dock an ihm vorüberging.
»Findest du?« Sebastian rollte ein Weinfass vom Steg zum Ende des Docks zu Logan, der ihn, auf eine Erklärung wartend, erwartungsvoll ansah. Sebastian zuckte jedoch lediglich mit den Schultern. Gemeinsam rollten sie das Fass zu den Karren. »Ich bin bloß sehr beschäftigt.«
»Vor allem wohl mit einem oder sollte ich besser ›einer‹ sagen?«, meinte der Schotte und schenkte ihm einen vielsagenden Blick.
»Sprichst du von Zahirah?« Sebastian stieß ein gezwungenes Lachen aus. »Ich bin ihr in letzter Zeit nicht begegnet. Vermutlich zürnt sie mir immer noch, weil ich sie wegen Abduls Mord zur Rede gestellt habe. Unter anderem.« Mit gefurchter Stirn hob er das schwere Eichenfass an und hievte es mit Logans Hilfe auf den Karren, der es nach Darum bringen sollte. »Überhaupt hatte ich weder die Zeit noch die Neigung, darüber nachzudenken, was sie wohl von mir halten mag.«
»Ha! Hast du Leila
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