Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
an.
Er verschränkte die Arme und betrachtete sie. Schweigen setzte ein. Seine Augen blickten unbewegt, doch sie fühlte, dass er jeden ihrer Züge abschätzte und sich einprägte. »Vielleicht.«
»Zu welchem Preis?«, fragte sie und drehte sich hoffnungsvoll zu ihm um.
»Für die Antwort auf einige Fragen.«
»Fragen Sie.«
»Wo ist Michaela?«, wollte er wissen.
Seine Frage traf sie wie ein Schlag. Sie wurde kreidebleich, und ihr Magen schlug Purzelbäume. Götter! Sie befand sich im Körper einer Frau, die ihm vollkommen unbekannt war. Wie kam er darauf, dass sie Michaela überhaupt kannte? Mit einiger Verspätung versuchte sie, den Anschein völliger Arglosigkeit zu erwecken, und fragte: »Michella, sagten Sie? Ich bedaure, aber ich kenne keine …«
Bevor sie ausreden konnte, war er an ihrer Seite. In plötzlicher Wut drückte er sie gegen die Tür, einen Unterarm über ihrer Kehle. Sie fühlte, wie ihr das Blut heiß in den Kopf stieg, und bekam keine Luft mehr.
»Du kennst sie gut. Dein Gesicht ist wie ein offenes Buch. Und jetzt sag mir, wo sie ist, oder ich sorge dafür, dass es dir leidtut.«
»Tot«, gestand sie mit einem schwachen, verzweifelten Krächzen.
Einen Augenblick lang wurde der Druck auf ihren Hals noch stärker, und sie umklammerte seinen Arm so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß wurden, aus Angst, er würde sie erdrosseln. Doch in dem Moment, als Punkte vor ihren Augen zu tanzen begannen, ließ er sie los und rammte seine Fäuste links und rechts von ihr so heftig gegen die Tür, dass er sie eindrückte.
»Hast du sie getötet?«, stieß er hervor.
Hustend fuhr sie sich mit der Hand an ihren gequetschten Hals. »Nein! Ich sah, wie sie ermordet wurde, in Monti, in der Nacht, als du betrunken warst.«
Er schüttelte sie heftig. »Die Götter mögen dich verfluchen, du Lügnerin«, brummte er. »Ich war in ebenjener Nacht mit Michaela zusammen. Es war Vollmond, und sie war sehr lebendig.«
Der Klang von Stimmen jenseits der Tür drang an ihr Ohr. Da kam jemand. Silvia unternahm einen kläglichen Versuch, um Hilfe zu rufen.
Doch Bastians muskulöser Arm schlang sich um ihre Taille, drückte sie an sich, und seine freie Hand legte sich auf ihren Mund. Dann trug er sie rasch durch den Raum, als würde sie gar nichts wiegen, durch eine Reihe von Fluren und Zimmern und schließlich eine Hintertreppe hinauf, als sei sie ein Sack Mehl.
Schließlich kamen sie an eine weitere Tür, und nachdem Bastian mit ihr hindurchgegangen war, ließ er sie in einem Zimmer wieder zu Boden, das ihr wie eine Bibliothek vorkam. Er schloss die Tür hinter sich, so dass er mit ihr allein war, drehte den Schlüssel im Schloss und steckte ihn demonstrativ in seine Tasche. Dann verschränkte er die Arme. »Und jetzt rede.«
Ihr Verstand arbeitete fieberhaft, während sie versuchte, sich darüber klarzuwerden, was er wusste. Was sie ihm sagen sollte. Als sie nicht schnell genug antwortete, trat er drohend einen Schritt auf sie zu, und im Nu hatte er sie zu einem gläsernen Bücherschrank gedrängt. »Dein ehemaliger Gatte mag es nicht geschafft haben, dich zu erdrosseln, aber ich bin sehr kurz davor, diese Aufgabe selbst zu Ende zu führen, wenn du mir nicht sagst, was mit Michaela geschehen ist.«
Eine Mischung aus Teilwahrheiten und Lügen schien ihr die beste Option zu sein, denn zu viele reine Wahrheiten würden nur zu anderen Wahrheiten führen, die sie ihm nicht enthüllen wollte. »Sie wurde von einem Oger ermordet. Nicht in jener Nacht in Monti, sondern in einer anderen Nacht …«
»Welcher Oger? Wann? Wo?«
»In … Florenz. Vor einem Monat. Und mit Ogern bin ich nicht gut genug bekannt, um sie voneinander zu unterscheiden.«
»Du bist eine schlechte Lügnerin – du solltest es wirklich aufgeben.« Seine Hand legte sich an ihren Nacken, und er fuhr mit dem Daumen die Spuren nach, die er an ihrem Hals hinterlassen hatte. Seine Stimme nahm einen gefährlichen Unterton an. »Zwing mich nicht, dir weh zu tun, um die Wahrheit herauszufinden.«
»Ich habe sie nicht getötet«, erklärte sie ernst. »Ich habe sie geliebt.«
»Also gut«, sagte er etwas ruhiger. Anscheinend glaubte er ihr wenigstens das. »Wir haben die ganze Nacht Zeit, um an den Rest der Wahrheit heranzukommen. Die ganze Woche. Den ganzen Monat. Lass dir Zeit. Und für jede Lüge, die du mir erzählst, werde ich deine Haft um einen weiteren Tag verlängern.«
Doch sie überraschte ihn, indem sie nur lachte. »Ich kann diesen
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