Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
zu ihrem Vorteil auswirken. Auf einer ähnlichen Auktion vor vielen Jahren hatte sie einen Gegenstand einfach nur deshalb ersteigert, weil die anderen Teilnehmer zu höflich waren, um gegen sie zu bieten.
Schließlich kam der Auktionator zu dem Opal. Bei seiner Erwähnung fühlte Silvia, wie eine Welle des Interesses durch die Gruppe ging, und ihre Beklemmung wuchs. Würde das Geld in ihrer Handtasche ausreichen, um ihn zu erhalten?
»Dieser seltene Opal, ein Sammlerstück, wird auf Anweisung des Verkäufers als ›Kerzen-Auktion‹ angeboten«, drang die Stimme des Auktionators durch den Raum.
»Und wer mag das sein?«, rief jemand. Silvia reckte sich, um den Mann zu sehen, aber er kam ihr nicht außergewöhnlich vor.
»Der Eigentümer zieht es vor, anonym zu bleiben«, erklärte der Auktionator. »Nun, wie ich sagte, werden wir eine ›Kerzen-Auktion‹ durchführen.« Er zeigte nach oben, und Silvia sah, dass etwa anderthalb Meter unter dem Kronleuchter, der hoch über ihren Köpfen hing, ein weißes Brett waagerecht aufgehängt worden war. Unter den Blicken der Teilnehmer wurde ein flinker Bursche eine Leiter hinaufgeschickt, der dort eine einzelne Kerze aufstellte und entzündete.
»Das höchste Gebot zu dem Zeitpunkt, da die Flamme erlischt, erhält den Zuschlag«, erklärte der Auktionator, während der Bursche die Leiter wieder hinabstieg.
Silvias Zuversicht stieg sprunghaft. Da sie im Laufe ihres langen Lebens zahlreiche Auktionen besucht hatte, hatte sie das Geheimnis entdeckt, wie sich diese Art von Auktion gewinnen ließ. Im Augenblick direkt vor dem Erlöschen der Kerze würde der aufsteigende Rauch seine Richtung ändern und nach unten sinken. Dann musste sie handeln.
Die Läden der Dreipassfenster wurden geschlossen, und für eine Weile herrschte gespenstische Stille in dem dunklen Raum. Dann setzte eine gewisse Unruhe ein, und die ersten halbherzigen Gebote wurden abgegeben. Davon ermutigt, erging sich der Auktionator in weiteren Lobpreisungen des Opals.
Über ihnen waren das Licht der Kerze und der aufsteigende Rauch zu sehen, nicht aber die Kerze selbst, denn die war von dem Brett, auf dem sie stand, verborgen, so dass niemand sehen konnte, wie nahe sie dem Erlöschen war. Nachdem weitere zehn Minuten vergangen waren, richtete sich jeder auf und blickte voller Interesse nach oben. Eine solche Auktion dauerte für gewöhnlich nicht länger als zehn Minuten – die Zeit, bis die Kerze erlosch. Silvia blickte mit schmalen Augen nach oben und hielt den Atem an. Jetzt war es jeden Augenblick so weit.
Um sie herum wurden nun in schnellerer Folge Gebote abgegeben, und ihr Puls beschleunigte sich.
Als sie sah, wie der Rauch begann, sich zu senken, gab sie ihr erstes und einziges Gebot ab: »Einhundertundfünfzig Lire!«
»Zweihundert!«, rief ein Mann. Und im selben Augenblick erlosch die Kerze.
»Verkauft!« Die Verkündung des Auktionators ließ ihr einen Schauer der Panik über den Rücken laufen. Verzweifelt sprang Silvia auf die Füße. Sie war den ganzen Weg hierhergereist, und dann hatte sie den Bruchteil einer Sekunde zu früh agiert. Ein Mann mit Brille, der auf der anderen Seite des Raumes saß, hatte gewonnen.
Die anderen standen auf und gingen an ihr vorbei durch die Tür zum Schreibtisch des Buchhalters im Vorraum. Dort würden sie ihre Gebote bezahlen und Vorkehrungen für den Versand der erworbenen Gegenstände treffen. Beklommen bahnte sie sich einen Weg zu dem Mann, der den Opal gekauft hatte. Mehrere andere Teilnehmer hatten sich bereits aus demselben Grund um ihn versammelt. Der Mann erklärte allerdings eilig, er habe im Auftrag eines anderen Käufers geboten, dessen Identität er nicht preisgeben würde. Als der Mann und der Auktionator den Raum verließen, folgten ihnen die verbleibenden Bieter wie eine Herde schwarzer Krähen, um ihnen noch mehr Informationen zu entlocken.
Ganz plötzlich war Silvia allein. Also ergriff sie die Gelegenheit und schlüpfte in den angrenzenden Lagerraum. Wenn sie schnell genug war, hatte sie vielleicht Zeit, den Feuerstein zu entwenden. Die Läden waren noch immer geschlossen, so dass man kaum etwas sehen konnte, aber sie stieß gegen Gegenstände hier und da, untersuchte sie und arbeitete sich hastig an der Wand entlang durch den Raum.
Plötzlich erregte etwas ihre Aufmerksamkeit. Ein Aufblitzen. Sie blieb stehen und blinzelte. Es war einer der Opale! Wem er gehört hatte, konnte sie nicht sagen, bevor sie ihn nicht in der Hand hielt. Er
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