Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
verteidigte.
Er zuckte mit den Schultern. »Irgendwann kehrte ich zu meinen Brüdern und zu den Ausgrabungen zurück. Es ist eine Arbeit, die ich liebe.« Er drückte einen Kuss auf ihre Handfläche. »Eine Arbeit, die ich mit dir teilen will.«
Sie versteifte sich, plötzlich wachsam. »Was hast du …«
»Diese heimlichen Besuche – diese ständige Ungewissheit, wann oder ob ich dich wiedersehe. Das genügt mir nicht«, erklärte er mit sanfter Entschlossenheit. »Ich will mein Leben mit dir teilen.«
Fassungslos entzog sie sich ihm und rutschte ans Kopfende des Bettes, setzte sich dort auf und zog das Laken über ihre Blöße. »Du verlangst zu viel! Ich kann nicht einfach so aus einer Laune heraus beschließen, sterblich zu werden.« Von ihr hing das Schicksal der anderen ab, die Pontifex gefangen hielt, und sie würde ihre Kräfte als Geistwandlerin brauchen, um sie zu retten. Wer konnte wissen, wie lang es dauern mochte, sie zu befreien? Der größte Gefallen, den sie diesem Mann tun konnte, wäre, ihn zu verlassen und nie wiederzukehren. Dann wäre es ihm möglich, eine andere Frau zu finden, die er lieben konnte. Bei dem Gedanken zog sich ihr Herz schmerzvoll zusammen.
Bastians Hand glitt unter das Laken und streichelte ihren Knöchel, ihren Unterschenkel, ein Knie. »Ich verlange nicht von dir, sterblich zu werden. Nimm dir jeden Wirt, den du willst, wann immer du musst. Ich verlange nur, dass du sie – und damit dich – in mein Bett bringst. Jede Nacht. Und dass du so viele Tage mit mir verbringst, wie du kannst.«
Ein rührendes Gefühl der Freude überkam sie bei der Aufrichtigkeit und der heftigen Sehnsucht in seiner Stimme. Trotzdem hielt sie ihn auf Abstand. »Götter, Bastian, willst du wirklich ein solches Leben für dich?«
»Ja.«
Sie schüttelte den Kopf. Da war so vieles, das er nicht wusste. So vieles, was sie ihm nicht sagen konnte. Noch nicht. Er wollte die Opale behalten, aber sie musste sie an sich nehmen. Das war ein unlösbarer Konflikt zwischen ihnen. Sie spähte zur Tür. »Ich …«
»Lauf nicht weg«, bat er und zog sie zu sich herab. »Das ist alles, was ich für den Augenblick verlange. Denke darüber nach. Wir reden morgen.«
Silvia schmiegte sich an ihn, den Kopf an seiner Schulter und ein glatter Schenkel zwischen seinen. Eine Hand streichelte langsam über ihr Haar und lockte sie in den Schlaf. Unter ihrer Handfläche fühlte sie seinen starken Herzschlag und wünschte, sie könnten für immer so wie jetzt zusammen sein.
Mit einer Fingerspitze strich sie über Christianas glatte Wange, über die Stelle, wo ihr eigener Vater sie vor Jahrhunderten mit der Peitsche getroffen hatte. »Ich habe eine Narbe.« Ihr schlichtes Geständnis durchdrang die Stille. »Ich bin unvollkommen. Hier im Gesicht.«
Die Hand auf ihrem Haar hielt inne. Dann strichen seine Lippen über ihre Stirn. »Es ist nicht dein Gesicht oder deine Figur, in die ich mich verliebt habe. Sondern du bist es. Ob du nun Sterbliche oder Geistwandlerin oder etwas dazwischen bist, meine Gefühle für dich werden sich nicht ändern. Und ich bin selbst wohl kaum perfekt.«
Freudentränen stiegen ihr in die Augen, und in diesem Augenblick verliebte sie sich noch mehr in ihn. Dennoch schreckte sie davor zurück, eine derart emotionale Unterhaltung fortzuführen, und versuchte, die Stimmung aufzuhellen. »O ja, es ist wahrhaft traurig, wie unvollkommen du bist«, neckte sie ihn sanft. »Groß, gutaussehend, intelligent, wohlhabend. Es wäre ein Wunder, wenn dich irgendeine Frau wollen würde.«
Sie hörte das Lächeln in seiner Stimme, als er antwortete. »Dann wirst du dich meiner erbarmen müssen, denn wenn du mich nicht nimmst, wer dann?«
Wenn sie ihn doch nur haben könnte! Wenn sie sich doch nur getraute, ihm ihren Namen und ihre wahre Gestalt zu enthüllen und damit für immer sterblich zu werden. Der nie endende Kreislauf, einen Wirtskörper anzunehmen und ihn dann wieder loszuwerden, rieb sie langsam auf, und sie wünschte sich von ganzem Herzen, hierbleiben und ein Leben mit ihm aufbauen zu können. Jetzt verstand sie ganz genau, warum Michaela ihre Unsterblichkeit für ihn aufgegeben hatte. Sie verstand, dass die Liebe zu dem richtigen Mann eine solche Entscheidung leichtmachte. Es war eine Entscheidung, die sie jetzt liebend gerne treffen würde, wenn sie nur könnte.
Aber zuerst hatte sie eine Verpflichtung gegenüber den anderen, und die würde sie erfüllen. Morgen würde sie den sechsten
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