Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
wiederzukommen, da sie sich der Göttin noch immer verbunden fühlte, und das würde auch so bleiben. Und dann reiste sie mit Bastian und seinen Brüdern zum Tor in der Toskana und von da aus heimwärts nach Rom.
»Etwas ist anders«, stellte Silvia fest, als die Kutsche sich den Randbezirken von Rom näherte. In den Augen aller Menschen, an denen sie vorbeikamen, sah sie Neugier, Misstrauen und sogar Angst.
An der Vorderseite der Kutsche klopfte es zweimal. Lucien und Dane, die die Kutsche lenkten, gaben ihnen damit ein Warnsignal. Bastians Hand ruhte auf Silvias Oberschenkel, und sie fühlte seine Anspannung. Auf der Sitzbank gegenüber konnte sie auch Sevins Besorgnis erkennen.
»Sie wissen, was wir sind«, stieß Bastian hervor. »Die Existenz der Anderwelt wurde entdeckt.«
Direkt vor ihnen hatten Männer einen Zentauren in einem Hof in die Ecke getrieben und versuchten nun, ihm ein Pferdegeschirr überzuwerfen. Silvia betrachtete die Szene mit Entsetzen. Weiter vorn jagten mehrere Jungen ein Feenmädchen vor sich her und riefen ihm Beleidigungen zu.
Sevin machte Anstalten, aus der Kutsche zu steigen und Hilfe zu leisten, aber Bastian hielt ihn am Arm zurück. »Es ist zu gefährlich. Bleib drinnen.«
»Wir können sie doch nicht einfach in der Gewalt dieser barbarischen Menschen lassen!«, argumentierte Sevin.
Bastian zog mit einem Ruck die Vorhänge vor dem kleinen Kutschenfenster zu. »Willst du im Alleingang gegen sie alle kämpfen? Nein, der beste Weg, damit umzugehen, ist der, unsere beiden Welten an den Verhandlungstisch zu bringen.«
»Es ist wegen der Feuersteine, nicht wahr?«, fragte Silvia. »Weil sie aus Rom verschwunden sind.« Sie hatte sie nicht selbst in die Anderwelt gebracht – das war Occia gewesen. Trotzdem konnte sie nicht anders, als sich irgendwie verantwortlich zu fühlen für ihren Verlust und die katastrophale Auswirkung.
»Willst du damit sagen, es waren diese Opale, die uns die ganze Zeit über geschützt haben?«, fragte Sevin. »So wie es die Schriften der Philosophen andeuteten, wie du mir einmal erklärt hast?«
»Es bereitet mir keine Freude, recht zu behalten, das versichere ich dir«, antwortete Bastian. »Aber ich glaube, dass die Magie, die uns schützte, schwächer wurde, als die ersten sechs Steine diese Welt im Laufe der Jahrhunderte verließen, und als die letzten sechs vor einigen Wochen verschwanden, brach die Magie vollständig zusammen.«
»Könnt ihr nicht all diese Menschen mit einem Zauber belegen? Ihre Wahrnehmung trüben? Sie vergessen lassen?«, fragte Silvia verzweifelt, als sie an einem Kobold vorbeikamen, der gerade aus seinem Haus vertrieben wurde, während man all seine Habseligkeiten auf die schlammige Straße warf.
»Ganz Rom mit einem Zauber belegen? Ganz Italien? Ganz Europa? Die gesamte Menschheit?« Bastian schüttelte den Kopf. »Unmöglich. Jetzt, wo der Geist aus der Flasche ist, kann man ihn nicht wieder einsperren.«
»Dann lass uns hoffen, dass Sonnenlicht sich wirklich als das beste Heilmittel erweist, wie du einmal postuliert hast, Bruder«, meinte Sevin. »Und lass uns auf eine bessere Zukunft hinwirken.«
Bastian nickte mit grimmiger Miene. »Wir werden auf ein harmonisches Zusammenleben hinarbeiten. Aber so oder so, es ist eine neue Zeit für unseresgleichen hier in dieser Welt.«
20
Einen Monat später
I st das eine neue Urne?«
Bastian blickte von seinem Schreibtisch auf und sah, wie Silvia sein Arbeitszelt betrat, hier, wo sie sich zum ersten Mal auf dem Forum begegnet waren. Mit schierer Willenskraft hatte er es geschafft, seine Position als leitender Archäologe zu behalten, trotz des neuen Misstrauens der Menschen gegen alle seiner Art.
Seit der Schutzschild nach der Entfernung von Vestas Relikten gefallen war, hatten er und seine Brüder an vorderster Front bei den Verhandlungen zwischen den Welten gestanden. Beschäftigt mit dem Anderweltrat, den menschlichen Politikern und Sevins neuer Geschäftsidee, hatte Bastian nur wenig Zeit für die Ausgrabungen gefunden. Oder für seine neue Frau. Und er hatte sie vermisst.
Als sie sich bückte, um seine neuesten Fundstücke zu begutachten, glitt sein Blick anerkennend über die schlanke Silhouette ihres Rückens und ihrer Hüften. Schnell belegte er den Umkreis des Zeltes mit einem Zauber, der selbst den gerissensten Eindringling vertreiben würde.
»Komm her, Frau«, befahl er. Und als sie ihre Aufmerksamkeit nicht so schnell von der Urne abwenden konnte, fügte er
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