Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
betete sie, dass alles gut werden möge. Erst als sie hörte, wie die anderen sich langsam regten, kehrte sie zurück in ihr Bett, bestärkt in dem Wissen, dass Vesta über sie wachen würde.
8
N och immer in ihrer Verkleidung als Rico, steckte Silvia den Kopf durch die Tür zu Bastians Schlafzimmer. Dort saß Michaela im Bett und arbeitete an einem Haufen weinroter Seide auf ihrem Schoß. »Was machst du da? Ich dachte, du solltest dich ausruhen.«
Michaela sah nicht von ihrer Stickerei auf. »Ich mache ein Geschenk für Bastian. Einen Morgenmantel.«
»Von Hand?«
»Hm. Handarbeit ist so viel persönlicher als das Nähen mit der Maschine.« Sie hielt ihr Werk hoch und zeigte Silvia die noch unvollendete Vorderkante. »Was meinst du, welchen Stich er wohl für die Knopflöcher bevorzugt?«
»Blüten im Flachstich? Oder vielleicht ein hübscher Stickbogen?«, schlug Silvia augenzwinkernd vor. Alles, was nötig war, um ein Lächeln auf Michaelas bleiches Gesicht zu zaubern.
Wie sie gehofft hatte, lachte Michaela auf. »Ich bin sicher, er würde beides lieben. So maskulin.«
»Ich kann schnell ein paar Knopflochstiche für dich machen, wenn du möchtest«, bot Silvia an. »Lass mich nur den Schmutz des Forums von den Händen waschen, dann bin ich wieder da.«
Als sie zehn Minuten später zurückkam, starrte Michaela aus dem Fenster, ihre Miene war melancholisch. Silvia setzte sich zu ihr, unsicher, wie sie die Freundin aufmuntern sollte. In den letzten paar Wochen hatte sie alles versucht, aber Michaela blieb verschlossen. Da Silvia selbst nie ein Kind verloren hatte, konnte sie nur ahnen, wie sehr ihrer Freundin das Herz bluten musste.
»Das Geheimnis bei der Herrenschneiderei liegt darin, den Saum nach oben anstatt auf die Seite zu legen«, erklärte Silvia betont lebhaft. »Und gegen Ende zieht man das Ganze fest, so dass der Einsatz nicht aufträgt. Siehst du?«
»Es ist amüsant, dich nähen zu sehen.«
»Diese Kinderhände sind ungeschickt.« Silvia beugte sich über den Stoff und nähte sorgfältig. Ihre Finger waren ermüdet von den vielen Ausgrabungskarten, die sie angefertigt hatte. Während sie sich näher an das Haus und den Tempel herangruben, kamen zahllose Artefakte im Boden zum Vorschein, und ihre Arbeitsstunden waren lang.
»Morgen Nacht ist Vollmond«, verkündete Michaela.
Silvia nickte. »Das ist mir bewusst.«
»Ich werde die Nacht natürlich mit Bastian verbringen.« Eine Pause. »Du könntest dich uns anschließen.«
Silvias Hände zitterten. »Nein.«
Michaela seufzte. »Dane verbringt die Rufnächte mit seiner neuen Frau, aber seine Brüder, Sevin und Lucien, werden Partnerinnen brauchen. Wenn du nicht mit Bastian und mir zusammen sein willst, vielleicht …«
Nachdem sie eineinhalb Jahrtausende lang rein geblieben war, wollte Michaela sie zu Männern ins Bett legen, die sie kaum kannte? Entsetzt und auch ein wenig verletzt, schüttelte Silvia den Kopf. »Du weißt, dass ich zu Pontifex gehen muss, um meine Magie an Vestas Feuer zu erneuern.«
»Und um das zu tun, musst du dich von Rico trennen. Du wirst zu deiner eigenen Gestalt zurückkehren. Also …«
»Michaela. Hör auf.«
Eine unbehagliche Stille breitete sich zwischen ihnen aus, dann sagte Michaela schläfrig: »Ich erinnere mich gar nicht, dass du je einen Schneider als Wirt hattest. Wann war das?«
»Es war nur für einen Monat, vor achtzig Jahren in Florenz. Und eigentlich war ich nur Helfer eines Damenschneiders. Unser Geschäft war bekannt für die Herstellung von Nachtwäsche und Dessous. Ich muss zehntausend Meilen an Bändern auf Satin und Seide genäht haben, tagein, tagaus. Wir waren auf gewagte Modelle spezialisiert. Hier.« Etwa fünfzehn Minuten später hatte Silvia die Knopflöcher beendet und dabei die Zeit mit Geplauder verbracht, um Michaela zu unterhalten. Aber als sie aufsah, schlief ihre Freundin. »Michaela?«, flüsterte sie, nur um sicherzugehen.
»Wie geht es ihr?«
Silvia schaute zur Tür und erblickte Bastian. Sie zuckte mit einer Schulter. »Sie erholt sich. Du siehst müde aus.«
»Und du musst müde sein.« Er kam herein und blieb neben ihrem Stuhl stehen. »Was machst du da?«
Silvia schaute nach unten und sah, dass sie noch immer die Nadel in ihren kleinen, schwieligen Kinderfingern hielt und der Morgenmantel noch immer in ihrem Schoß lag. »Ich helfe deiner Herzallerliebsten mit ihrer Näherei. Ich bin ein Junge mit vielen Talenten, wie ich schon sagte.« Suchend spähte sie
Weitere Kostenlose Bücher