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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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konnte. Nun war es Zeit, jemand anderem zu helfen.
    Wenn sie zu spät dort ankam, würde sie ihre Chance verpassen. Das Zeitfenster beim Tod eines Wesens, in dem eine Geistwandlerin einen Wirt annehmen konnte, war nur sehr klein. Also rannte sie weiter durch eine Gasse nach der anderen, immer näher der sicheren Gefahr. Sie bog um die Ecke eines Pfandleihgeschäfts und stolperte direkt auf den Schauplatz eines gerade stattfindenden Mordes. Eines sehr gewalttätigen Mordes – wie erwartet.
    Das Opfer war eine Frau, wie sie schon geahnt hatte. Jung, vielleicht etwa zwanzig Jahre alt, dunkelhaarig. Doch Silvias Augen starrten nur auf ihren Angreifer, die schreckliche Kreatur, die gerade dabei war, ihr das Leben aus dem Leib zu quetschen. Er war über zwei Meter groß; sein Körper war eng an sie gepresst, und seine langen, knochigen Finger umfassten ihre Kehle.
    »Lass sie los!«, befahl Silvia.
    Abrupt drehte der Mörder den Kopf in ihre Richtung. Seine schwarzen Augen suchten nach ihr, fanden sie jedoch nicht, da sie ja noch unsichtbar war. Er war überwiegend Oger, vielleicht mit einem Anflug von Feenblut, doch im Zwielicht der Straße konnte sie das nicht genau sagen. Falls es jedoch so war, dann war er das Ergebnis einer Vergewaltigung. Keine Fee würde sich freiwillig einem Oger hingeben, denn sie waren die dümmsten Kreaturen der Anderwelt und dazu als grausam und egoistisch in der Liebe bekannt. Und was noch schlimmer war, wenn sie von einem Partner genug hatten, verspeisten sie für gewöhnlich seine Eingeweide.
    Die Frau hob flehend eine Hand in Richtung ihrer Stimme. Ihre Augen waren weit aufgerissen, und sie hatten die Farbe purpurroter Veilchen.
    Götter, nein! Es war Michaela! Silvias Herz setzte aus, um gleich darauf vor wildem Entsetzen loszuhämmern. Sie stürmte durch den Nebel auf die beiden Gestalten zu. Als könnte sie das Schicksal ändern. Als wäre sie in der Lage, ihre liebste Freundin vor dem Tod zu erretten. Sie, eine Geistwandlerin, die gerade keinen Wirt hatte.
    Gegen dieses Monster hatte Michaela keine Chance. Silvia auch nicht, aber ihre größte Hoffnung lag im Überraschungsmoment. Sie raste auf beide zu, in der Absicht, im letzten Augenblick ihre wahre Form anzunehmen, sich gegen die Kniekehlen des Ogers zu rammen und dann mit Michaela zu fliehen.
    Doch als sie noch etwa drei Meter entfernt war, prallte sie gegen eine unüberwindliche, eisenharte Mauer, eine unsichtbare Mauer, und landete auf dem Boden. Sogleich sprang sie wieder auf und zuckte mit den Schultern, sie fühlte keine gebrochenen Knochen. Sie streckte ihre Arme vor sich aus und spürte die verzauberte Mauer, die der Mörder um sich und sein Opfer errichtet hatte.
    »Ich sagte, lass sie los!«, knurrte Silvia.
    Der Oger löste den Griff seiner Finger gerade so weit, dass Michaela ein paarmal keuchend Luft holen konnte. »Ist das ein Angebot, ihren Platz einzunehmen?«
    »Und wenn ja?« Silvia umkreiste die Wand und betastete sie in dem verzweifelten Versuch, eine Lücke zu finden. »Willst du mich an ihrer Stelle nehmen? Ich kann dir versprechen, dass ich ein weit schmackhafterer Leckerbissen bin.«
    Gierige schwarze Augen blitzten auf, und seine Nüstern blähten sich. »Will dich erst sehen, dann entscheide ich.«
    Michaelas Augen weiteten sich angstvoll, und sie schüttelte den Kopf. Knurrend schlug er ihr ins Gesicht.
    Lass sie leben, lass sie leben! , flehte Silvia im Stillen. Michaela konnte nicht sterben. Durfte nicht . Sie hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Zauberwand. »Nun, du weißt, dass ich das nicht machen kann, Oger. Nicht, bevor wir eine Abmachung haben. Sonst würdest du mich nur auch noch gefangen nehmen.« Wenn sie sich einem Geschöpf der Anderwelt zeigte, so hatte das auf der anderen Seite des Tores keine Auswirkungen auf ihre Unsterblichkeit. Doch hier in dieser Welt war es gefährlich. Er konnte sie als Eigentum beanspruchen. Und so dumm Oger auch waren, sie waren schnell. Er konnte sie innerhalb von Sekunden erwischen.
    Seine Miene wurde listig. »Dann sag mir wenigstens deinen Namen, dann lass ich sie los.«
    »Rico«, log sie.
    Der Oger war enttäuscht und verstärkte seinen Würgegriff um die Kehle seines Opfers. Silvias Herz zog sich schmerzvoll zusammen. Als sie aus der Anderwelt zurückgekehrt war, war sie so selbstsicher gewesen, dass sie in der Lage wäre, Michaela vor Pontifex zu beschützen. Aber jetzt stand sie da, nicht einmal eine Stunde später, hilflos gegen einen einzigen seiner

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