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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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plötzlich wirkte er nicht mehr so betrunken. Was ging hier vor? Sie schaffte es, ihn zu überrumpeln, indem sie auf die Füße kam und sich von ihm wegduckte, aber er erwischte ihr Gewand. »Nicht so schnell. Brauche dich«, erklärte er und drehte sie wieder zu sich herum. »Götter, was ist das für ein hässlicher Sack, den du da anhast?« Er tastete mit den Händen darüber – über ihren Körper –, und sie schlug nach seinen Händen.
    »Ein Hemdkleid«, sagte sie. »Und was meinst du damit, du brauchst mich?« Drohte ihm Gefahr? Während der letzten paar Minuten hatte sie ein ungutes Gefühl verspürt, als wäre Gefahr im Anzug. Irgendetwas würde passieren, und zwar bald. Sie sah sich um. Der Platz war voller Leute, die am frühen Abend unterwegs waren – hauptsächlich Dirnen, Kuppler und Spieler, die ihre Geschäfte für diese Nacht aufnahmen. Sie alle sahen aus wie eine teuflische Menge von Taugenichtsen – ihre Mienen hoffnungslos oder unbarmherzig.
    Da kam ihr ein schrecklicher Gedanke. Was, wenn Bastian zu denen gehörte, denen es bestimmt war, heute Nacht zu sterben? Vielleicht war es kein Zufall, dass sie zu ihm hingeführt worden war? Sie fühlte den Drang, ihn zu schützen, ihn abzuschirmen vor jeglichem Schaden, der auf ihn zukommen mochte, und sie drehte ihm den Rücken zu und legte ihre Hände auf seine Oberschenkel. Er schlang die Arme um sie, und sie fühlte die rohe, animalische Kraft seines Körpers in ihrem Rücken, verborgen unter der feinen Kleidung eines Gentlemans. Sie versuchte, sich vorzustellen, wie es sein mochte, ihn als Wirt zu nehmen – wie ihre Lebensessenz diesen maskulinen Körper erfüllen würde. Wie mochte es wohl sein, sich mit solcher Kraft, wie er sie besaß, durch die Welt zu bewegen? Wenn die Menge sich vor einem teilte. Wenn man von Frauen mit Blicken verschlungen und von Männern mit Respekt behandelt wurde. Einfach nur, weil man eine körperlich beeindruckende Erscheinung war.
    In dem Bedürfnis, zumindest ein wenig Kontrolle über ihn auszuüben, umklammerte sie seine Arme, die er um sie geschlungen hatte, während sie argwöhnisch die Menge auf dem Platz beäugte. Der Wurstverkäufer, die drei Prostituierten, der Lumpensammler. Führte irgendeiner von denen etwas im Schilde gegen ihn?
    »Komm, ich suche dir eine Kutsche, die du mieten kannst, damit sie dich nach Hause zum Esquilin bringt«, sagte sie und zog an ihm, damit er ihr folgte. »Deine Familie ist schon dort, und Michaela wird dort nach dir suchen, wenn sie dich hier nicht findet.«
    »Woher weißt du so viel über mich?«, wollte er wissen. Er lallte leicht. »Während ich so gar nichts über dich weiß.«
    Verstohlen ließ sie die Hand in seine Tasche gleiten. Doch er packte sie, bevor sie ihr Ziel erreichen konnte. »Das gehört mir«, knurrte er leise. Also doch nicht so betrunken.
    »Lass mich nur ein Mal sehen«, bettelte sie. »Bitte …«
    »Oh, bitte, nein …«

    Silvias Kopf ruckte hoch und stieß gegen seine Brust. Das körperlose Flehen schickte ihr einen blitzartigen Schauer über den Rücken, ließ jeden Ausdruck aus ihrem Gesicht weichen und ihr Blut gefrieren. Wie es schien, waren die Sterbenden dabei, zu erwachen. Hektisch sah sie sich auf dem Platz um, konnte aber nichts Verdächtiges erkennen. Sie drehte sich um, packte Bastian am Revers seines Mantels und zischte: »Hast du das gehört?«
    Sein Blick glitt suchend über sie und war bereits klarer als zu Anfang, denn seine Trunkenheit schien abwechselnd stärker und schwächer zu werden. »Was gehört?«
    »Nichts.« Sie ließ ihn los, aber er packte ihren Oberarm. Da er sie nicht sehen konnte, war ihm offensichtlich klar, dass er sie irgendwie festhalten musste, damit sie ihm nicht entfloh.
    Es war ein entsetzter Schrei, den sie gehört hatte, von irgendjemandem, irgendwo, der angegriffen wurde. Ein erstes Erkennen, dass Gefahr nahe war. Nur zu bald würde daraus die Erkenntnis werden, dass der Tod nahte. Unausweichlich. Im Augenblick konnte Silvia nicht mehr von der Situation wahrnehmen. Der Schrei war zwar in der Ferne erklungen, aber er hatte deutlich gemacht, dass Bastian nichts mit den Schwierigkeiten, die Silvia kommen spürte, zu tun hatte. Das war schon mal gut.
    Trotzdem bedeutete der Schrei, dass sie jeden Augenblick fortgerufen werden konnte. Und sie konnte ihn hier nicht so zurücklassen, in seinem Zustand. Es gab noch viele andere, die sich hier in Monti ein Glas oder zwei genehmigten. Er konnte ausgeraubt oder

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