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Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)

Titel: Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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Vesta betete, dass diese die Freundin in ihre gesegnete Fürsorge aufnehmen möge, beschwor sie ein Feuertor, hielt einen Zweig an die Flammen und setzte damit den Scheiterhaufen in Brand. Dann blieb sie an Michaelas Seite, bis alles getan war. Bis ihre geliebte Freundin für immer von beiden Welten verschwunden war. Endlich in Frieden.
    Zum ersten Mal in ihrem außergewöhnlich langen Leben fühlte Silvia sich wahrhaft allein. Sie hatte dabei versagt, Michaela zu beschützen, und nun war sie tot. Doch es gab noch andere, die unter Pontifex litten. Sie sorgte sich um das Schicksal dieser anderen Vestalinnen, die beinahe alle schon seit Jahrhunderten weggesperrt waren. Die konnte sie retten. Sie würde sie retten. Der Gedanke hielt sie aufrecht. Und als sie am nächsten Morgen wieder ihre unsichtbare Gestalt annahm und weiterging, brannte ein loderndes Feuer in ihr. Rache.
    Der nächste Ruf einer sterbenden Seele brachte sie zu einem kleinen Menschenmädchen, das sich in den Wäldern verirrt hatte, gestolpert und gestürzt war und sich dabei eine tödliche Verletzung am Kopf zugezogen hatte. Menschliche Wirte waren nur für kurze Reisen geeignet, nicht für längere Aufenthalte. Nachdem Silvia das Mädchen als Wirt angenommen hatte, kehrte sie zum Versteck der Feuersteine zurück, um sie an einen sichereren Ort zu bringen. Einen Tag später fand man die Leiche der Kleinen ordentlich gekleidet in ihrem Bett. Ihr letzter Wunsch war es gewesen, wieder nach Hause zu kommen, und so war es geschehen.
    Danach wanderte Silvia gen Norden, von einem Wirt zum anderen, ohne wirklich zu leben. Und während sie vor ihrer eigenen Einsamkeit floh, suchte sie nach den übrigen drei Opalen. Nur der Verbleib von zwei Steinen war noch unklar, denn sie wusste ja, wo sich der sechste Stein befand. In Rom. Bei Bastian. Den würde sie erst suchen, wenn sie die anderen fünf in ihrem Besitz und ihr Herz sich einigermaßen erholt hatte.
    Und wenn sie dann alle sechs Steine besaß, würde sie wieder zu Pontifex gehen. Dann hätte jeder die Hälfte der Steine. Die Hälfte der Macht. Und dann würden sie sehen, wer gewinnen würde.
    Erdrückender Schmerz begleitete sie. Sie betrauerte den Verlust Michaelas, weinte viel und gewöhnte sich an den Anblick ihrer geröteten Augen und ihrer Wangen, die aufgesprungen waren von Tränen und Kälte. Der Winter wich dem Frühling, der Frühling dem Sommer, und danach kam der Herbst, ohne dass sie es bemerkte. All die Vollmondnächte über hatte sie den Ruf von Pontifex gefühlt, doch sie hielt sich vor ihm verborgen und weigerte sich, ihn zu beachten. Die drei Feuersteine, die sie besaß, glichen weiterhin die Wirkung des Mondes in jenen Nächten aus und ermöglichten es ihr, ihr Vestalisches Feuer zu erneuern, wie sie es tun musste, um zu überleben.
    Schließlich hörte sie Gerüchte über einen riesigen Opal in der Stadt Ravenna. Dieser Stein hatte ursprünglich der Vestalin Floronia gehört, hing jedoch gegenwärtig an einer Kette um den Hals einer würdigen älteren Dame der gehobenen Gesellschaft, die keine Ahnung hatte, was der Stein in Wirklichkeit war. Als eines ihrer Dienstmädchen krank wurde und starb, war es ein Leichtes, in dessen Körper zu schlüpfen und sich mit dem Opal aus dem Staub zu machen.
    Nach dem Diebstahl hinterlegte Silvia die vier Feuersteine zur sicheren Aufbewahrung bei einer Bank in Florenz und setzte ihre Suche nach den anderen Steinen fort. Im Laufe ihrer Jagd wurde sie immer mehr dazu gezwungen, sich wieder mit der Welt um sie herum zu beschäftigen, um an Informationen zu kommen, die sie zu einem weiteren Stein führen konnten. Endlich, im September, kam sie auf die Spur eines fünften. Wie es schien, sollte in Venedig bald eine Auktion stattfinden, bei der ein ungewöhnlich großer Opal zum Gebot kommen würde.

    September 1881
    Eine Woche später war Silvia in Venedig. Sie wischte ein paar Regentropfen von ihrem Mantel und eilte in das stattliche Privathaus, als die Auktion begann. Hinter ihr schwangen die massiven Flügeltüren, durch die sie eingetreten war, wieder zu. Sie hatte gerade noch die Strafgebühr vermeiden können, die Auktionshäuser traditionell bei verspäteten Teilnehmern erhoben.
    Dies hier war allerdings kein traditioneller Veranstaltungsort für eine Auktion, wie ihr schnell klarwurde, während der Majordomus ihr den nassen Mantel abnahm. Es war der großartige salone eines stattlichen dreistöckigen Palazzos aus der Renaissance am Canal Grande von

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