Das Herz des Satyrs: Roman (Knaur TB) (German Edition)
Venedig. Er war nur per Gondel zu erreichen, und da es ein stürmischer Tag war, war die Fahrt hierher schwierig gewesen, und Verzögerungen hatten sich nicht vermeiden lassen.
Der Raum, den man ihr wies, war opulent eingerichtet, seine Wände waren mit Fresken in sanften Farben geschmückt. Er enthielt nur wenige Möbel, abgesehen von den drei Dutzend Stühlen, die in bogenförmigen Reihen aufgestellt und bereits von anderen Teilnehmern besetzt waren.
Die Gegenstände, die versteigert werden sollten, lagen im angrenzenden Raum, wie sie durch die offene Tür sehen konnte. Eigentlich hatte sie vorgehabt, früher zu kommen, um den Opal zu inspizieren und, falls möglich, zu stehlen, doch der Sturm hatte das verhindert.
Da ihr eine Auktion als vielversprechende Gelegenheit erschienen war, einen Feuerstein zu finden, hatte sie die Kataloge von Auktionshäusern durchgesehen, was sie schließlich hierhergeführt hatte. Auktionen waren ihr nicht fremd. Im alten Rom waren sie eine beliebte Möglichkeit zum Verkauf von Kriegsbeute und Familienanwesen gewesen, und viel später hatte einer ihrer Wirte an einer Auktion von Wein aus der Toskana teilgenommen.
Der Auktionsraum war voller Männer mit ernsten Mienen, die die Köpfe über die gedruckten Listen geneigt hielten, die sie erhalten hatten. Einige von ihnen waren bekannte Schatzjäger. Und jeder der Anwesenden war bereits in Gedanken damit beschäftigt, sich auszurechnen, welche Erwerbungen ihnen den größten Profit bescheren würden.
Als sich Silvia auf einen freien Stuhl setzte, warf ihr der Gentleman neben ihr ein Lächeln zu. Ihr gegenwärtiger Wirtskörper war der einer jungen, reizenden Frau mit grünen Augen, braunem Haar und schmaler Taille. Allerdings schwand das Lächeln des Mannes, als er den Bluterguss auf ihrer blassen Wange bemerkte. Silvia sah das Mitleid in seinem Blick. Vor einer Stunde, als sie diesen Körper angenommen hatte, war der Bluterguss noch schlimmer gewesen, doch inzwischen verblasste er bereits und würde wohl bald ganz verschwunden sein. Ihre Übernahme eines Körpers bewirkte für gewöhnlich, dass solche Wunden schnell heilten. Leider funktionierte es mit ihrer eigenen Narbe nicht so gut.
Als der Mann nicht aufhörte, sie anzustarren, beugte sie sich nahe zu ihm und flüsterte ihm vertraulich zu: »Der Schlimmste ist an meinem Rücken, wo niemand ihn sehen kann. Eifersüchtige Ehemänner können ja solche Rohlinge sein.« Dabei ließ sie ihren Blick demonstrativ zu seinem Ehering gleiten. Dann schenkte sie ihm ein zuckersüßes Lächeln und sah mit Befriedigung, dass er entsetzt war, denn im Augenblick war sie nicht in der Stimmung, sich Ehemännern gegenüber nachsichtig zu zeigen.
Ihre gegenwärtige Wirtin war erst an diesem Nachmittag von ihrem Ehegatten mit einem Schürhaken zu Tode geprügelt worden. Er hatte sich nach verübtem Verbrechen unbekümmert mit seiner Geliebten nach oben begeben. Ohne Zweifel musste er ziemlich überrascht gewesen sein, bei seiner Rückkehr festzustellen, dass der Leichnam seiner Frau verschwunden war, und mit ihm seine Pistole und sämtliches Vermögen aus seinem Safe. Sie wünschte so sehr, sie hätte sein Gesicht sehen können!
Der Auktionator nahm seinen Platz am Pult ein, und Staubpartikel wirbelten auf, als er die Teilnehmer begrüßte und die Auktion eröffnete. Der erste zu versteigernde Artikel war eine Kollektion von Tierpräparaten, danach kam ein Angebot antiquarischer Bücher; ein Satz Bildhauerwerkzeuge und verschiedene Büsten; einige Schmuckstücke. Bei alldem handelte es sich um Vermögenswerte von Schuldnern, die beschlagnahmt und hierhergeschickt worden waren, um zur Schuldentilgung versteigert zu werden.
Als Herkunftsort des Objektes, das Silvia interessierte, wurde ein Anwesen in Rom genannt. Sie würde viel dafür geben, zu erfahren, wie der frühere Besitzer an den Opal gekommen war. Die Nähe zum Forum bedeutete, dass er ihn vielleicht dort aufgelesen hatte, bevor die ernsthaften Ausgrabungen begonnen hatten. In den Ruinen auf Schatzsuche zu gehen war in den vergangenen Jahrzehnten die römische Version von Strandgutsammeln gewesen. Ein Zeitvertreib, dem man an einem freien Nachmittag während eines Picknicks auf dem Forum nachging.
Während Silvia auf den Opal wartete, versuchte sie, sich ein Bild von den Wettbewerbern zu machen, ohne dabei unnötige Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Schwierig, da sie die einzige weibliche Teilnehmerin war. Allerdings konnte sich das noch
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