Das Herz des Südens
schäumend vor Zorn. Marguerite war verheiratet und hatte drei Kinder. Und sie war alt! Es war also wohl doch wahr, was man sich über die Cajuns und ihr Verhältnis zu Frauen erzählte. Sie drängte die heißen Tränen zurück. Nun gut. Nun gut, es konnte ihr vollkommen gleichgültig sein, was ein gewisser Phanor DeBlieux tat oder nicht tat.
Sie würde nicht mehr daran denken, jedenfalls nicht jetzt. Mit einem Kopfschütteln, als könnte es das Bild vor ihrem inneren Auge vertreiben, wie Phanors Hand auf dem Rücken ihrer Tante lag, atmete sie tief durch und kehrte zu den Gästen zurück. Ihre Gastgeberpflichten an diesem Abend gingen vor.
Sie entschuldigte ihre Tante bei Monsieur Bardot und brachte ihn, begleitet von Albany, zur Tür. Beim Zurückkommen sah sie ihre langweilige Cousine Violette mit der langen Nase und dem unzufriedenen Gesicht allein und verloren auf einem Sofa sitzen.
Mit dem stets besorgten Sinn der Gastgeberin führte sie Albany zu Violette. »Mademoiselle Violette, ich möchte Ihnen Mr Albany Johnston vorstellen. Albany, Violette ist meine Cousine. Sie haben viele Gemeinsamkeiten, wissen Sie. Ihr Vater hat einige Jahre in New York verbracht, und jetzt lebt er als Händler hier in New Orleans.«
»Tatsächlich?« Albany setzte sich ohne lange Vorrede neben Violette. »Ich bin – oder besser gesagt: war – in New York zu Hause. Jetzt fühle ich mich freilich schon wie ein echter Louisianer. Und Ihr Vater – handelt er mit Zuckerrohr?«
Violette fand zu Josies redlichem Erstaunen ihre Sprache wieder, und die beiden stürzten sich in eine angeregte Diskussion über die Geschäftswelt der Stadt. Josie fragte sich, ob ihre hässliche Cousine Albany womöglich besser gefiel als all die Schönheiten, die er im Blue Ribbon gesehen hatte. Jedenfalls schien er ehrlich interessiert an ihren Bemerkungen über die Interna der Finanzwelt.
Die Salontür öffnete sich. Das würde doch wohl jetzt endlich Bertrand sein.
Und tatsächlich betrat er das Fest, als ob der Saal ihm gehörte, wohl wissend, dass die Blicke der gesamten Damenwelt auf ihm ruhten. Sein einer Mundwinkel zog sich amüsiert nach oben, als er bemerkte, wie still es für einen Augenblick geworden war. Onkel Sandrine reichte ihm ein Glas Champagner, und dann gingen die beiden zu einer Gruppe von Männern, die ihre Vorliebe fürs Spiel teilten, Männer, die ohne Bedenken den Gegenwert einer kleineren Plantage als Spieleinsatz auf den Tisch werfen würden.
Josie ging durch den Saal, sprach hier und da ein paar Worte mit einem Gast, behielt aber die ganze Zeit Bertrand im Auge. Er stand an der Tür zur Veranda, wo der leichte Wind seine schwarzen Haare kaum bewegte, die er mit einem schwarzen Satinband im Nacken zusammengebunden hatte. Er hatte abgenommen, und sein Gesicht zeigte die Gesundheit eines Mannes, der viele Tage in der Sonne verbracht hatte. Eines echten Mannes, nicht eines unsicheren Jungen aus den Sümpfen.
Josie stand neben dem älteren Bruder von Onkel Sandrine, aber ihren Blick hatte sie fest auf Chamard gerichtet. Der Festlärm verebbte in einem silbrigen Rauschen, die Stimmen verstummten ebenso wie die Musik der Kapelle. Jede einzelne der hundert Kerzen im Saal nahm einen goldenen Schimmer an.
Sie wollte, dass er sie ansah, konzentrierte all ihr Begehren auf ihn und fixierte seine Augenbraue, seine dunklen Wimpern. Er musste ihren Blick spüren!
Und tatsächlich reagierte er, nahm ihre ganze Existenz auf einmal wahr. Selbst quer durch den Saal sah sie seine Augenfarbe, wie ein feiner Brandy im Kerzenlicht. Sie hatte ein Gefühl, als könnte ihre Seele ihren Körper verlassen, um in diese Augen einzutauchen.
Er ließ seine Gesellschaft stehen und bewegte sich zielstrebig durch die Menge, wobei die Anmut seiner Bewegungen jede Frau verführte, die er streifte. Josie hörte die seidenen Röcke rascheln, wenn sich die Damen nach ihm umdrehten, aber sie ließ ihn nicht aus den Augen.
»Cousine Josephine.«
Josie hielt ihm ihre Hand hin, Chamard nahm sie in die seine, und ihr ganzer Körper erbebte bei dieser Berührung. Als er mit den Lippen über ihren Handrücken fuhr und seinen Daumen in ihre Handfläche drückte, bemerkte sie überrascht, wie die geheimsten Regionen ihres Körpers reagierten. Was machte er mit ihr? War das die Liebe?
Keiner von ihnen nahm noch Notiz von dem sprachlosen, verwirrten älteren Mann. Bertrand führte sie am Ellbogen weg von dem Strom der Gäste, die den Tanzsaal betraten und wieder
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