Das Herz des Südens
in der herbstlichen Luft konnten Reiterin und Pferd leichter atmen. Nur einmal lenkte Josie Beau auf der Straße am Fluss Richtung Süden. Sie dachte daran, bis zur Grenze zwischen Cherleu und Toulouse zu reiten, um einmal etwas anderes zu sehen. Als sie an dem Pfirsichgarten vorbeikam, der jetzt nicht mehr so blühend und fruchtbar aussah wie an dem Tag, als Bertrand sie unter der Eiche geküsst hatte, hielt sie das Pferd mitten auf dem Weg an, starrte in den Garten und konzentrierte sich dann auf die Eiche, die am anderen Ende zu sehen war. Es war so viel mehr als ein Kuss gewesen.
Damals hatte er sie geliebt, das wusste sie.
Sie wendete Beau und ritt nach Hause.
Dort angekommen, öffnete sie das Band an ihrer Haube. »Laurie?«, rief sie.
Das kleine Mädchen, das so sehr gewachsen war, dass ihr das sackleinene Kleid nur noch bis an die Knie reichte, kam barfuß in den Salon getappt. »Hier bin ich.«
»Wie geht es Madame? Hat sie zu Mittag gegessen?«
»Es geht ihr genauso wie heute Morgen, als Sie weggeritten sind. Sie schläft die ganze Zeit, selbst ihr gesundes Auge macht sie kaum noch auf.«
»Sag Cleo, sie soll mir einen Teller bringen. Du kannst bei Madame bleiben.«
»Das glaube ich nicht, dass Cleo das macht, Mademoiselle.«
Josie hob eine Augenbraue.
»Ich sag’s Ihnen ja nur. Sie liegt flach.«
»Cleo ist krank? Sie ist doch sonst nie krank.«
»Das ist ja auch keine normale Krankheit, es kommt ja nur davon, was der hässliche LeBrec mit ihr gemacht hat.«
Josie sprang auf, eilte zum Schlafzimmer und riss die Tür auf. Cleo lag auf ihrer Pritsche an der Wand, die Knie an den Körper gezogen und ein Laken über dem Kopf.
Josie kniete sich neben sie und zog vorsichtig das Laken weg. Cleos Lippe war aufgeplatzt und blutete. Ihr linkes Auge war beinahe zugeschwollen, und sie starrte vor sich hin. An ihrer Schläfe war ein Büschel Haare ausgerissen, sodass feine Blutstropfen austraten. Josie spürte, wie ihr Hals vor Wut zuschwoll. Dafür würde er bezahlen!
Cleo zuckte zusammen, als sie ihr eine Hand auf die Schulter legte. »Ich bin’s nur, Cleo.«
»Josie?« Für einen Moment wurde Cleos Blick klar. »Josie, er hat mir so wehgetan.« Dann begann sie zu weinen. Mühsam kämpfte Josie ihre eigenen Tränen zurück. »Du wirst diesen Mann nie wieder sehen müssen, Cleo, das verspreche ich dir. Nie wieder.«
Über die Schulter befahl sie Laurie, zu Louella zu laufen. »Sag ihr, wir brauchen heißes Wasser, sofort. Nein, warte, bring mir erst die Karaffe mit dem Brandy.«
Dann zog sie das Laken wieder bis zu Cleos Kinn hoch, legte sich neben sie auf die Pritsche, schlang ihre Arme um Cleo und hielt sie fest, solange sie weinte. »Wir waschen den ganzen Dreck von dir ab, Cleo«, sagte sie zu ihr. »Wir bringen dich wieder in Ordnung, das verspreche ich dir.«
Das ist alles meine Schuld, dachte sie. Ich hätte diesen Kerl schon vor Wochen feuern sollen. Sie nahm das Glas Brandy, das Laurie ihr brachte. »Setz dich und trink einen Schluck«, sagte sie zu Cleo.
Louella kam mit Wasserkessel und Schüssel hereingestürmt. »Warum sagst du mir denn nichts, Kind?«, rief sie Cleo zu.
Cleo hustete und schluckte mühsam. »Ich habe ihn mit dem Messer verletzt, Josie.«
»Hast du den Teufel erwischt? Braves Mädchen«, sagte Louella und erklärte Josie: »Sie hat nämlich immer das Rasiermesser von deinem Papa in der Tasche.«
Papa wäre rasend geworden, wenn er Cleo so gesehen hätte. Es tut mir so leid, dachte Josie und schluckte ihre Tränen hinunter. Später würde sie weinen, aber jetzt brauchte Cleo all ihre Kraft.
Es tut mir so leid, Papa.
Mit Louellas Hilfe wusch sie Cleo und zog ihr ein sauberes, weiches Hemd an. Dann bürstete sie ihr den Schmutz aus den langen schwarzen Locken. Und als Cleo endlich schwindlig und schläfrig von dem Brandy wurde, begann sie, ihre Wunden zu versorgen. Sie suchte im Medizinbuch ihrer Großmutter und trug dann mit zitternden Händen eine kühlende Salbe auf die Prellungen auf, und eine andere Salbe auf die Schnitt- und Schürfwunden.
Als Cleo endlich schlief, blätterte Josie weiter in dem Buch ihrer Großmutter und fand endlich ganz hinten, was sie suchte: Mittel zum Beenden einer Schwangerschaft. Terpentin, Chininwasser, in dem ein rostiger Nagel eingeweicht worden war, Ingwer und auch Meerrettich waren geeignet, eine frühe Schwangerschaft abzubrechen. Aber das Buch wies auch darauf hin, dass eine Schwangerschaft nicht sofort eintrat. Es dauerte Tage,
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